Die Oscarverleihung ist einer der prestigeträchtigsten Events des Jahres. Der weltweit wichtigste Filmpreis wird diesen Sonntag zum 96. Mal in Hollywood verliehen.
Doch während die besten Filme und Filmschaffenden ihre Erfolge feiern, könnte der Kontrast in Los Angeles nicht grösser sein. Unweit der Oscar-Gala reihen sich nämlich die Zelte aneinander.
Gregg Donovan, bekannt als «Botschafter von Hollywood», kennt diese Kluft. Er sagt: «Der Glamour entspricht nicht der Realität. Als ich Kind war, war es noch nicht so schlimm wie heutzutage. Es ist eine andere Welt.»
Rund 75'000 Menschen leben in Los Angeles auf der Strasse. Viele direkt neben den Sternen des Walk of Fame. In der Oscar-Woche lässt die Stadt die Strasse jeweils räumen. Gregg Donovan begrüsst die Touristen mit dem Satz: «Hollywood – welcome to Hollywood, you have arrived.» Also: «Hollywood, willkommen in Hollywood, Sie sind angekommen.»
Man nennt nun den Walk of Fame – Walk of Shame – Schande.
Doch dann folgt schnell ein ernsterer Ton. Er warne die Touristen, vorsichtig zu sein. «Es ist hier nicht wie an der Zürcher Bahnhofstrasse», sagt er. Mittlerweile sei es auch hier und am Rodeo Drive gefährlich. «Deshalb nennt man nun den Walk of Fame – Walk of Shame – Schande.»
Obdachlosenrate um zehn Prozent gestiegen
Nach offiziellen Angaben der Obdachlosenbehörde in Los Angeles ist die Zahl der Menschen ohne Zuhause im vergangenen Jahr um zehn Prozent gestiegen. Mit ihr auch die Drogenproblematik und Kriminalität.
Das spüren auch die am Hollywood Boulevard ansässigen Geschäfte und Tourbus-Anbieter. Gerald Morrison, Bustour-Anbieter in Los Angeles, erzählt: «Wir hatten Leute, die auf uns zukamen und in unser Auto gesprungen sind. Auch bei meinen Kollegen, die auf der anderen Seite Bustouren anbieten, ist das passiert. Einmal hat ein Obdachloser meinen Bus in Beschlag genommen.»
Ich befürchte, nächstes Jahr werden die Zahlen noch höher sein, weil wir keine Lösung haben, um die Obdachlosigkeit zu verhindern.
Und auch die umliegenden Läden haben Mühe. «Leider gibt es hier viele verrückte Leute. Sie kommen ins Geschäft, stehlen etwas und rennen weg», erzählt der Verkäufer Sutong. Geschäftsführerin Juana Agustin von «Souvenirs of Hollywood» warnt ihre Angestellten und die Touristen. «Ich sorge mit Pfefferspray vor. Hier muss man immer die Augen offenhalten», sagt sie.
Bürgermeisterin weiss keine Lösung
Auf Anfrage von «Gesichter&Geschichten» wollten sich weder Stadt noch Polizei zur Problematik äussern. Vor kurzem sagte Los Angeles' Bürgermeisterin Karen Bass bei einer Pressekonferenz: «Ich befürchte, nächstes Jahr werden die Zahlen noch höher sein, weil wir keine Lösung haben, um die Obdachlosigkeit zu verhindern.»
Auch die in Genf geborene Künstlerin Francesca Gabbiani kann dies bezeugen. Seit über 20 Jahren lebt und arbeitet sie in der Gegend. In den vergangenen fünf Jahren habe sich die Situation massiv verschlechtert. Eigentlich seien die Obdachlosen harmlos. Sie bringe ihnen manchmal etwas zu essen. «Hat aber einer eine Psychose, bleibe ich ihm fern», sagt die Schweizerin.
Los Angeles befindet sich im Wandel. Am Oscar-Tag wird aus dem Walk of Shame wieder der Walk of Fame – zumindest für ein paar wenige Stunden.