«Wegen Tiktok habe ich mittlerweile das Gefühl, an zehn oder mehr Phobien zu leiden», so «Impact»-Moderatorin Amila Redzic. Doch auch bei anderen Userinnen und Usern aus der Community tauchten Videos im Feed auf, mit denen man sich auf Phobien testen könne oder die einem gleich Phobien vorschlügen, von denen man nur noch nicht wisse, dass man sie habe.
Victoria Block, Psychologin an der Klinik Sonnenhalde in Basel, bestätigt: «Durch Social Media scheint es einen Trend zur Selbstdiagnose zu geben.»
Generalisierte Angststörung oder Phobie?
In der Schweiz leiden laut der Universität Zürich 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung im Verlauf des Lebens an einer Angststörung. Seit der Corona-Pandemie dominieren zwar Schlagzeilen, dass Angststörungen unter jungen Erwachsenen stark zugenommen hätten. Dabei scheint es sich aber primär um generalisierte Angststörungen zu handeln, also diffuse Ängste oder unvermittelte Panikattacken.
Phobien hingegen zeichnen sich durch die Angst vor einer spezifischen Situation oder einem Tier aus. Die in der Schweiz am häufigsten verbreitete Phobie ist die Arachnophobie, also die Angst vor Spinnen.
Trotz Selbstdiagnose-Trend scheint die Anzahl an Phobien Erkrankter laut Victoria Block konstant zu bleiben. Der Psychotherapeut Gianandrea Pallich sieht dabei neben negativen auch positive Aspekte: «Wie bei Depression oder Schizophrenie schaffen Social Media einerseits öffentliches Bewusstsein, in dem man darüber redet, aber auf der anderen Seite bagatellisiert es das Leiden für Leute, die wirklich von einer Phobie betroffen sind.»
Was hilft bei einer Phobie?
Viele suchen Hilfe durch Hypnose. Im Selbstversuch von «Impact»-Moderatorin Amila Redzic scheint die Hypnose zumindest einen kurzfristigen Effekt zu haben. Hypnose als alternativer Therapieansatz wird allerdings in der Regel nicht von Krankenkassen gedeckt.
Gianandrea Pallich empfiehlt generell und insbesondere für den Anfang die Konfrontationstherapie. Dabei muss das eigene Vermeidungsverhalten überlistet werden und man muss sich der angstauslösenden Situation so lange aussetzen, bis die Angst abnimmt. Je nach Schwere der Phobie schaut man bei Tieren erst nur Bilder oder Videos an, bevor die Konfrontation im echten Leben folgt.
Neuer Ansatz mit Augmented und Virtual Reality
Um Phobien loszuwerden, setzen einige auch auf digitale Hilfsmittel: Die App Phobys lässt eine sich bewegende Spinne auf dem Display erscheinen. Wenn man die eigene Hand durch das Handy betrachtet, sieht es so aus, als würde die Spinne auf einem herumkrabbeln.
Noch weiter geht die Klinik Sonnenhalde in Basel und führt seit diesem Frühling auch Konfrontationstherapien mit Virtual Reality durch. Dabei taucht man komplett in eine virtuelle Welt ab.
Durch Aufsetzen der Brille werden Patientinnen und Patienten in das jeweilige Angstszenario katapultiert. Das sei hauptsächlich nützlich für Situationen, die sich im echten Leben nur kostspielig oder zeitaufwändig reproduzieren lassen würden, wie etwa ein Apéro, wo soziale Phobien auftreten können oder bei Flugangst.
Wer aber wirklich eine Phobie habe und sie loswerden möchte, der müsse sich am Ende zwangsweise der Angst im realen Leben stellen. Wichtig sei auch, dass man sich nach der Konfrontation mit etwas anderem beschäftige und Distanz gewinne. Zu lange dürfe man jedoch nicht warten, bis man sich wieder der Angst aussetze.