Was bewegt Menschen dazu, ihren Körper zu verändern? Und wie geht eine erfahrene Chirurgin mit den emotionalen und ethischen Herausforderungen ihres Berufs um?
Colette Camenisch, eine der renommiertesten plastischen Chirurginnen der Schweiz, gewährt in einer neuen SRF-Dokumentation spannende Einblicke in ihre Arbeit. Bei «Gesichter und Geschichten» spricht sie über ihre prägendsten Erlebnisse – und stellt ihr neues Buch vor.
So, dass man es nicht sieht
Die Beweggründe ihrer Patientinnen und Patienten seien vielfältig, erklärt die Bündnerin. «Mein Klientel kommt vor allem zu mir, um frisch auszusehen – möglichst so, dass man es nicht sieht.»
Meistens gehe es um Gesichter, aber auch Brust-Operationen liegen laut Camenisch weiter im Trend. Oft seien es Frauen, deren Brüste nach dem Stillen nicht mehr so aussehen wie vorher. Auch Bauchdeckenstraffungen und die eine oder andere Fettabsaugung gehören zum Alltag der Ärztin.
Veränderung des Klientels
Vor zehn Jahren hätten fast ausschliesslich Frauen ihre Praxis aufgesucht. Inzwischen gebe es einen deutlichen Anstieg bei Männern, die Schönheitsoperationen nachfragen. Camenisch freut sich über die Abwechslung – Männer lassen bei ihr beispielsweise die Augenlider straffen.
Für mich ist die Identität und die Authentizität eines Menschen sehr wichtig. Jemanden so sehr zu verändern, dass man die Person nicht mehr erkennt – das ist nicht mein Stil.
Diese Entwicklung beleuchtet auch eine neue Dokumentation von SRF, in der Camenisch vorkommt. Mit rund 120'000 ästhetischen Eingriffen jährlich – davon etwa die Hälfte nicht-invasiv – zeigt der Film eindrücklich, wie sich die Einstellung zur Selbstoptimierung verändert hat.
Wenn Wünsche zu weit gehen
Camenisch erfüllt aber nicht jeden Wunsch. Das sei dann der Fall, wenn die Vorstellungen unrealistisch seien oder die Patientin oder der Patient psychisch oder physisch krank sei. «Für mich ist die Identität und die Authentizität eines Menschen sehr wichtig. Jemanden so sehr zu verändern, dass man die Person nicht mehr erkennt – das ist nicht mein Stil», sagt Camenisch.
Emotionale Momente in Indien
Ein besonders prägender Abschnitt ihrer Karriere sei ihre Zeit als Chirurgin in Indien gewesen. Dort behandelte sie unter anderem Kinder mit Kiefer-Lippen-Gaumenspalten. «Das war eine sehr emotionale und belastende Zeit. Die Menschen müssen teilweise drei Tage laufen, bis sie zu einem Krankenhaus gelangen und dann noch einmal so lange warten, bis sie einen Termin für eine Sprechstunde erhalten.»
Trotzdem sei es eine schöne Zeit gewesen, sie habe sich dort selbst gefunden und gelernt, als Frau in einer von Männern dominierten Arbeitswelt zu bestehen. Ausserdem sei es beeindruckend gewesen, was die Ärzte in Indien mit den wenigen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, alles schaffen.
Mit ihrem neuen Buch «Mein Kunsthandwerk» will Colette Camenisch nun nicht nur ihren Werdegang beleuchten, sondern auch zeigen, wie viel Verantwortung und Emotionalität hinter der plastischen Chirurgie stecken. Ein Einblick in eine Welt, die über oberflächliche Schönheitsideale hinausgeht.