Eine Schönheitsklinik im Zürcher Seefeld – ausschliesslich für männliche Kunden oder «Gentlemen», wie sie Nic Liotta, der Geschäftsführer der Klinik, nennt. Die Gentlemen's Klinik führt an diesem Montag im Dezember drei Haartransplantationen durch.
Je nach Anzahl Haarwurzeln, die transplantiert werden, dauert die Operation bis zu neun Stunden. Die Kosten belaufen sich auf mehrere Tausend Franken.
Immer mehr Kliniken in der Schweiz
Jeder vierte Mann in der Schweiz ist von Haarausfall betroffen. Davon profitieren Kliniken, die Haartransplantationen anbieten, denn dieser Markt boomt zurzeit in der Schweiz.
Allein die Firma «Hair & Skin» eröffnete in den letzten zwei Jahren 19 Kliniken, in denen Männer gegen ihren Haarausfall vorgehen können.
Der Eingriff
Ein 29-jähriger Mann liegt an diesem Montagmorgen auf dem Operationstisch. Er ist wach. Nachdem die sogenannte «Hairline», also sein neuer Haaransatz, eingezeichnet wurde, beginnt der Eingriff. Unter lokaler Betäubung am Kopf werden ihm stundenlang tausende von gesunden Haarwurzeln am Hinterkopf entnommen und in einer zweiten mehrstündigen Etappe an den kahlen Stellen wieder eingesetzt.
Der Patient ist währenddessen ansprechbar. Im Hintergrund läuft beruhigende Musik, die an ein Spa erinnert. Schmerzhaft sei der Eingriff laut Patient an sich nicht, lediglich die Betäubungsspritze bereite Schmerzen.
Haartransplantation als Lösung gegen die Scham
Während das medizinische Personal die Haarwurzeln einzeln extrahiert, sagt der Patient zu «SRF Impact»: «Ich hatte mal volles Haar und mit 29 könnte es auch ein bisschen anders aussehen.» Darüber zu reden, sei für ihn kein Problem. Dennoch will er anonym bleiben.
«In meinem Beruf habe ich viel Kontakt mit Menschen und ich möchte nicht, dass das einen Einfluss hat», schildert der Gast – so werden die Patienten in der Klinik genannt. Seiner Meinung nach sei das Schamgefühl der Männer, die unter Haarausfall leiden, der Grund für den Anstieg der durchgeführten Haartransplantationen.
Auf die Frage, ob die Klinik das Schamgefühl der Männer mittels Marketing nicht fördere, sagt der Geschäftsführer Nic Liotta, der selber zwei Haartransplantationen machen liess: «Das wollen wir nicht, aber klar ist, dass jedes Unternehmen an einem Betriebsergebnis interessiert ist.»
Der Mann als Objekt
Anders sieht das Markus Theunert von Männer.ch. Der Mann sei als Objekt entdeckt worden, dem man teure Schönheitsoperationen andrehen könne. Es werde Männer ein Gefühl von Ungenügen vermittelt, um ein Produkt zu verkaufen. «Diese Tausenden von Franken, die man für eine Haartransplantation ausgibt, wären besser in eine Psychotherapie investiert, in der man lernt, seinen eigenen Selbstwert zu entwickeln, der nicht von Haaren abhängig ist», argumentiert Theunert.
Auch meint er, dass es für Männer schwierig sei: «Nach wie vor gilt, dass ein richtiger Mann sich selbst sein kann und keine Schönheitsoperationen über sich ergehen lassen muss. Gleichzeitig kommt die neue Norm hinzu – ein Mann soll schön sein und keine Glatze haben. Somit entsteht ein komisches Gefühl bei den Männern. Dann investieren sie viel Geld in eine Haartransplantation, tun aber alles, damit es niemand mitbekommt.»