Ob vom Zug oder von der Autobahn aus: Ein Futtersilo im Luzernischen Rothenburg zieht derzeit alle Blick auf sich. Eben noch war es bloss ein grauer Quader neben Bahnlinie und A2. Nun verwandelt sich der Turm Stück für Stück in ein Kunstwerk.
Da sitzt eine bekleidete Katze bei einem Sennenhund. Daneben eine weitere im Gilet. Skizzenhaft sind auch schon Hahn und Hase zu erkennen.
Ein Futtersilo wird zum Blickfang
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Bild 1 von 5. Noch bleibt einiges zu tun: Die Malerarbeiten am Futtersilo im Luzernischen Rothenburg dauern rund zwei Monate und sind stark von der Witterung abhängig. Bildquelle: SRF/Evelyne Fischer.
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Bild 2 von 5. Die Fotomontage zeigt, wie das Wandbild dereinst aussehen soll. Es soll laut den Künstlern das grösste der Schweiz werden. Bildquelle: zvg.
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Bild 3 von 5. Der Turm gehört der Futtermühle Niederhäuser AG und war bislang schlicht grau. Bildquelle: zvg.
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Bild 4 von 5. Linus «Rips1» von Moos ist einer der beiden Urban-Art-Künstler, die sich am Silo zu schaffen machen. Bildquelle: SRF/Evelyne Fischer.
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Bild 5 von 5. Das Bild «Die Heiler» des Berner Künstlers Timmermahn dient dem Wandbild als Vorlage. Bildquelle: SRF/Evelyne Fischer.
Das Wandbild ist eine Hommage an den Berner Timmermahn, 1942 als Peter Klein in Lausanne geboren. Er gilt als schillernde Figur in der Kunst- und Kulturszene, hat sich unter anderem mit Malerei, Poesie und Theaterstücken einen Namen gemacht.
Anlässlich seines letztjährigen 80. Geburtstags hat seine Agentin, Katha Langstrumpf, die Rothenburger Aktion aufgegleist. Zum Silo sagt sie: «Ich fand immer, das ist so ein Unding in der Landschaft – bis ich Street-Art-Bilder gesehen habe. Plötzlich sah ich vor meinem inneren Auge ein Timmermahn-Bild auf diesem Turm.»
Was Langstrumpf damals nicht wusste: Ihr Geschenk würde Geschichte schreiben. Denn das 45 mal 36 Meter grosse Werk wird das grösste Wandbild der Schweiz.
Besitzer stellt nur eine einzige Bedingung
Der Turm gehört der Futtermühle Niederhäuser AG. «Besitzer Jürg Kamber musste nicht lange überlegen: Die Idee eines Wandbildes begeisterte ihn von Beginn weg», sagt Katha Langstrumpf.
Kosten? Keine. Schriftzug der Firma? Konnte weg. Nur eine Bedingung stellte Kamber: Das Graffiti am Fusse der einen Turmfassade, ein einstiges Schulprojekt seiner Tochter, musste bleiben.
Timmermahn legte dem Futtermühle-Besitzer eine Auswahl von acht Bildern vor. «Er entschied sich für meinen Favoriten», sagt Timmermahn.
Für das Wandbild ist nun dessen Werk «Die Heiler» die Vorlage. Timmermahn hat damit seinerzeit die Operation seines Katers beglichen. Es hängt heute im Tierspital Bern.
Zwei Urban-Art-Künstler legen Hand an
In weiten Teilen kommt das Original 1:1 aufs Silo. «Nur die Berge werden noch geändert», sagt Timmermahn. «Bei mir waren es Fantasie-Berge.» Nun sollen Rigi und Pilatus drauf. «Das machen die Jungs nach ihrem Gusto.»
Die Jungs. Das sind die beiden Urban-Art-Künstler Linus «Rips1» von Moos aus Luzern und Fabian «Bane» Florin aus Chur. Katha Langstrumpf hat sie mit dem Werk beauftragt. Denn: In Chur haben sie schon einmal einen Mühleturm bemalt.
Street-Art erobert Schweizer Fassaden
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Bild 1 von 3. Der Churer Künstler Fabian «Bane» Florin und der Luzerner Linus «Rips1» von Moos haben bereits Erfahrungen mit Werken auf Mühletürmen. Bislang galt ihr Werk in Chur als das grösste Wandgemälde der Schweiz. Bildquelle: Keystone/Gian Ehrenzeller.
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Bild 2 von 3. Street-Art in Zürich: In Zusammenarbeit der Zürcher Südkurve und dem FCZ Museum entstand auf einer Zürcher Hausfassade ein Wandbild von Köbi Kuhn, dem ehemaligen Nati-Trainer. Bildquelle: Keystone/Alexandra Wey.
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Bild 3 von 3. Am Event «Change of Colours» haben Künstlerinnen und Künstler beim Bell-Areal in Basel 2020 insgesamt rund 1700 Quadratmeter Fläche bemalt. Bildquelle: Keystone/Georgios Kefalas.
Schätzungsweise 1000 Liter Farbe braucht es für die Fläche von gut sieben Tennisfeldern. «Wir haben 13 Farbtöne bestellt. Für den Rasen zum Beispiel mischen wir nach und nach die nötigen Grüntöne zusammen», sagt Linus von Moos. An die Hebebühne gesichert, taucht er seinen Pinsel in den Kübel. Macht das Wetter mit, malt er acht Stunden pro Tag.
Monumentale Projekte in der Zentralschweiz
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Bild 1 von 5. Auch in der Zentralschweiz sind bereits einige Wandbilder zu sichten: Im Auftrag der Stadt Luzern haben die Tessiner Street-Art-Künstler Nevercrew auf einer 21 Meter Fassade ein Monumentalwerk zum Thema Klimaschutz realisiert. Bildquelle: zvg/Stadt Luzern.
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Bild 2 von 5. Bei der Stadtluzerner Zwischennutzung Neubad schwimmt ein monumentaler Wal an der Fassade. Auch hier war das Street-Art-Duo Nevercrew am Werk. Bildquelle: zvg/Jannis Geisseler, 2019 (HSLU – Technik & Architektur).
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Bild 3 von 5. In Kriens hat das Street-Art-Duo Queenkong beim Gebäude einer Wohnbaugenossenschaft Hand angelegt... Bildquelle: zvg.
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Bild 4 von 5. ...in Sursee versah Queenkong das Stadion mit einem Wandbild. Bildquelle: zvg.
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Bild 5 von 5. In Stansstad im Kanton Nidwalden versah Queenkong die Fassade einer Alterssiedlung mit einem Kunstwerk. Bildquelle: zvg.
Was er an diesem Werk spannend findet? «Dass der Duktus von Timmermahn drin ist, die Art und Weise seines Malens, die Seele seiner Kunst», sagt Linus von Moos. Es sei toll, draussen arbeiten zu können. «Ich liebe es, in dieser Höhe zu sein.» Und ihm gefalle, dass Timmermahns Bild anno dazumal ein Tauschhandel für eine Tier-OP war. «Als ich das gehört habe, machte es mir noch viel mehr Freude, das Bild hier zu malen.»
Künstler schaut zu – auf Campingstuhl
Freude. Solche empfindet auch Timmermahn. Das Ganze sei ihm eine grosse Ehre. Zweimal pro Woche klappt der Künstler ennet der Bahnlinie den Campingstuhl auf, beobachtet den Fortschritt am Futtersilo. Noch braucht es etwas Geduld. Das Einweihungsfest ist für den 13. August 2023 geplant.