Die Swiss verzeichnet für das Jahr 2023 ein Rekordergebnis: 5.3 Milliarden Franken Umsatz hat das Unternehmen gemacht. Die Pandemie scheint vergessen, die Flugscham auch. Zwar haben die Passagierzahlen noch nicht das Niveau von vor Corona erreicht, doch sie nähern sich den Zahlen von 2019 an.
Überrascht ab dieser Entwicklung zeigen sich weder Cyrill Hermann, Mitglied des Klimastreiks, noch Verhaltensforscher Christian Fichter. «Wären die Zahlen tief geblieben, dann wäre ich überrascht gewesen», sagt Fichter. Und er erklärt auch gleich wieso: «Der Mensch kann sich zwar ändern, aber nur innerhalb von gewissen Grenzen. Nachhaltige Veränderung ist schwierig umzusetzen.»
Die Klimabewegung und in diesem Zuge auch die Flugscham hätten zwar einen Effekt gehabt aufs Fliegen. «Aber er war nicht so gross, wie man gedacht hat», so Fichter. Es sei zwar verbreitet vorgekommen, dass man sich Gedanken gemacht habe zum Fliegen. «Wir möchten als Gesellschaft etwas machen gegen den Klimawandel.» Aber: «Nur für einen kleinen Teil sei das der zentrale Lebensinhalt und dementsprechend ist auch nur ein kleiner Teil gewillt, sein Konsumverhalten so stark einzuschränken.»
Mit dem Begriff der Flugscham tut sich Cyrill Hermann schwer. «Wir betrachten Flugscham kritisch. Die Verantwortung für CO₂-Emissionen liegt nicht beim Individuum, sondern bei Flugunternehmen und der Schweizer Regierung.» Diese seien verantwortlich, etwa Kurzstreckenflüge bis 2030 zu reduzieren.
Verantwortung nicht beim Individuum
Also alles paletti, wenn wir ein, zwei oder drei Mal pro Jahr mit dem Flieger in die Ferien düsen? Jein, sagt Hermann. «Ich persönlich würde es nicht machen, aber ich bin den Leuten, die das tun, auch nicht böse.»
Der Schock von 2019, als die Klimabewegung ihren Höhepunkt erlebte, sei wahrscheinlich weg und damit auch das Schamgefühl. Hermann hat dafür Verständnis: «Ich sehe den Sinn auch nicht, meine Emissionen zu senken, so lange 100 Konzerne alleine für mehr als 70 Prozent der Emissionen verantwortlich sind. Viele Menschen sehen die Verantwortung nicht mehr nur bei sich.»
Das Dilemma der Reisenden
Ähnlich klingt es auch beim Verhaltensforscher Fichter. Reisende sähen sich in einem Dilemma. Einerseits seien sie motiviert, die Umwelt zu schützen, andererseits wollten sie aber auch eine gute Zeit haben. «Schlussendlich entscheiden der Komfort und das Portemonnaie.» Die Preise für Flugbilletts seien zwar in den letzten Jahren gestiegen, die Schmerzgrenze aber für viele noch immer nicht erreicht.
Generell gebe es vier Hebel, um Veränderungen nachhaltig zu festigen. Neben dem Komfort und Geld etwa die soziale Ächtung, ähnlich wie es bei der Flugscham der Fall war. «Was hingegen viel besser und wirkungsvoller ist, ist die Überzeugung. Man sollte Leute informieren, befähigen, damit sie über eine Situation nachdenken und dann ihr Verhalten anpassen können», sagt der Verhaltensforscher.
Ob sich die Zahl der Flugreisen trotz höherer Preise weiter nach oben entwickelt, wird sich zeigen. Immerhin nehmen auch Zugreisen zu, gerade bei Destinationen, die innerhalb von vier bis sechs Stunden erreichbar sind.