Im Juli vor 40 Jahren begann der Bürgerkrieg in Sri Lanka und ging als «Black July» in die Geschichtsbücher ein. Viele Tamilinnen und Tamilen flüchteten. Weltweit bildete sich die tamilische Diaspora. Rund 60’000 Menschen zählt sie heute in der Schweiz.
Den tamilischen Flüchtlingen schlug zu Beginn in der Schweiz auch Misstrauen entgegen. So wurden etwa ihre schwarzen Lederjacken als Luxus gedeutet. Laavanja Sinnadurais Vater war einer dieser Männer, der in den 1980er-Jahren aus Sri Lanka in die Schweiz geflüchtet war.
Mit Fleiss ins neue Leben
«Er war dankbar für den Schutz, doch der Anfang war hart. Er stand mit den anderen Männern am Bahnhof. Dort war es warm, hatte Licht und andere Menschen», erzählt die 33-jährige Juristin im «Tagesgespräch».
Mit der Zeit stieg die Akzeptanz. Eine wichtige Rolle dabei spielte laut Sunnadurai die Arbeit: «Viele waren sehr fleissig. Meine Eltern arbeiteten in einem Altersheim, trugen vor Arbeitsbeginn Zeitungen aus und putzten nach Feierabend noch Büros.» Ihren Eltern sei die Ausbildung ihrer Tochter sehr wichtig gewesen, erinnert sie sich heute und hat die Worte ihres Vaters noch im Ohr: «‹Lävi›, vergiss nie, wo du herkommst.»
Viele Jugendliche sehen keine andere Option, als ein Doppelleben zu führen.
Das Aufwachsen in der Schweiz und die Herkunft der Eltern bedeutet für viele Secondas und Secondos einen Spagat zwischen zwei Welten. Sinnadurai arbeitet heute als Mediatorin zwischen den Kulturen. Sie macht vor allem Abklärungen im Erwachsenen- und Kinderschutzbereich.
«Junge Frauen sind hier aufgewachsen und geniessen die hiesigen Freiheiten. Wie ihre Freundinnen gehen sie in den Ausgang, haben den ersten Freund oder beginnen zu rauchen», so Sunnadurai. Doch wenn die Eltern davon erführen, sei zu Hause die Hölle los. Viele sähen deshalb keine andere Option, als ein Doppelleben zu führen.
Noch viele Fragen ungelöst
In solchen und anderen Situationen versucht Sunnadurai zu vermitteln und ermuntert die jungen Frauen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie weiss aber auch: Die ganze Zukunft der Eltern liegt in ihren Kindern. Sie haben niemanden sonst.
Die Mediation gelingt nicht immer: «Der Lebensstil einer Jugendlichen endete auch schon zu Hause in Gewalt, und sie wurde fremdplatziert.» Sinnadurai hatte den Eltern vergeblich zu vermitteln versucht, dass Gewalt keine Lösung und strafbar ist.
Auch ein Fall eines Outings hat die Juristin schon begleitet. Dazu stellt sie zusammenfassend fest: «In der tamilischen Gesellschaft sind wir noch bei der Überwindung des Kastensystems. Von Themen wie Homosexualität sind wir noch weit entfernt.»