«Ich bin sehr privilegiert aufgewachsen und möchte mit meinem Einsatz der Gesellschaft etwas zurückgeben – denn ich glaube, niemand will, dass jemand ertrinkt.» So einfach die Beweggründe des 31-jährigen Pascal Stadelmann sind, so dramatisch ist die Lage seit Jahren auf dem Mittelmeer.
Menschenhändlerinnen und -händler in Libyen oder Tunesien drängen Migrantinnen und Migranten in häufig völlig überfüllte Boote und schicken sie mit kaum genügend Treibstoff auf das Meer hinaus. Einem Teil gelingt die Überfahrt, viele werden abgefangen und wieder zurückgebracht – andere verschwinden spurlos. Laut Schätzungen der «International Organization for Migration» (IOM) sind allein in diesem Jahr rund 1300 Menschen bei den Überfahrten nach Europa gestorben.
Hilfe aus der Luft
Verschiedene Nichtregierungsorganisationen versuchen, die Lücken in der Seenotrettung zu schliessen. Mittels zivilen Rettungsbooten oder Aufklärungsflügen, welche von Freiwilligen wie Pascal Stadelmann realisiert werden. Er fliegt für «Humanitarian Pilots Initiative» – kurz HPI.
Dafür startet er jeweils von der italienischen Insel Lampedusa mit einer Crew zu mehrstündigen Aufklärungs-Touren. Sobald das Team ein Boot mit Geflüchteten entdeckt, melden sie es den staatlichen Rettungs-Koordinationsstellen und nehmen Kontakt zur zivilen Seenotrettung Sea-Watch auf. Diese versucht dann, mit ihren Schiffen die Menschen an Bord zu holen. Aber nicht allein die Rettungsaktionen stehen im Zentrum der Missionen, wie Pascal erklärt: «Wir sind das zivile Auge auf dem Mittelmeer. Wir dokumentieren, was passiert und schaffen so Transparenz.»
Zurzeit ist dieses Unterfangen jedoch erschwert. Zivilen Fliegenden ist es momentan nicht erlaubt, in den libyschen Luftraum einzufliegen. Somit bleibt der grosse Teil des Meeres für die HPI-Crew unerreichbar. Dies sei frustrierend, erklärt Pascal, «genau in diesem Teil passieren die meisten Katastrophen und wir haben keine Chance, den Leuten dort zu helfen oder zu sehen, was mit ihnen passiert».
Streitpunkt Frontex
In der Luft operieren auch Drohnen der Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, Frontex, um Boote in Not ausfindig zu machen und zu melden. Wie genau aber Rettungen, Zurückweisungen und Abfangaktionen organisiert werden, ist häufig undurchsichtig.
Dies ist der grosse Kritik-Punkt verschiedener NGOs an die Frontex: Sie würden nicht das jeweils nächste Schiff oder die zuständige staatliche Instanz informieren, sondern mehrheitlich auf die libysche Küstenwache zurückgreifen. Frontext antwortet SRF auf die Kritik, dass immer die Rettung von Menschenleben im Vordergrund stünde und die Agentur nicht direkt mit der libyschen Küstenwache zusammenarbeite.
Symptom-Bekämpfung
Zurück im kleinen Flieger von HPI. An diesem Tag sichtet die Crew nur zwei leere Boote. Diese werden trotzdem dokumentiert, «allenfalls kann man später aufschlussreiche Daten daraus ziehen», so Stadelmann.
Den Vorwurf, mit den Flügen nur Symptom-Bekämpfung zu betreiben, greift er gleich selbst auf. Es sei ein Tropfen auf den heissen Stein. Trotzdem macht Pascal weiter. Er sagt: «Ich wünschte, die Menschen müssten nicht fliehen und könnten in ihren Ursprungsländern bleiben – doch so einfach ist es nicht.»