Die Coronakrise hat Frauen weltweit härter getroffen als Männer. Frauen haben häufiger den Job verloren, ihr Einkommen ging stärker zurück und sie mussten eher einen Karriereknick verkraften als Männer. Und nun machen sie nur langsam Fortschritte – trotz der wirtschaftlichen Erholung.
Die Co-Autorin des Berichts, Silja Baller, beschreibt es so: «Der diesjährige Bericht zeigt, dass sich der Arbeitsmarkt sehr ungleich erholt.» Die Frauen hätten den verlorenen Boden nicht wieder gutmachen können. Das habe die Gleichstellung um eine ganze Generation zurückgeworfen. Der kleine Fortschritt im letzten Jahr sei im Vergleich zum Rückschritt in der Pandemie marginal.
Der Bericht des WEF
Gemessen wird die Gleichstellung der Geschlechter in vier Themenbereichen: Gesundheit, Bildung, Politik und wirtschaftliche Chancen. Die Krise hat die Frauen vor allem bei den wirtschaftlichen Chancen zurückgeworfen. Das hat zwei Gründe: Erstens arbeiten Frauen weltweit öfter im Dienstleistungssektor und dieser war in der Pandemie besonders stark von Einschränkungen betroffen. Zweitens sind vor allem Frauen eingesprungen, als die Kinder wegen Schul- und Kita-Schliessungen nach Hause geschickt wurden. Das gilt auch für die Schweiz.
Solange die Idee vorherrscht, dass sich die Frau um Kinder, Eltern und Grosseltern kümmern muss, kommen wir nicht weiter. Es braucht ein radikales Umdenken.
Insgesamt schneidet die Schweiz zwar nicht schlecht ab, sie liegt auf Rang 13 von 146 untersuchten Ländern. Vor allem bei der wirtschaftlichen Gleichstellung harzt es aber. Da liegt die Schweiz auf Rang 47. Bei der Arbeitsmarktbeteiligung haben Schweizer Frauen noch viel Potenzial. Und während die Frauen in vielen anderen Ländern im letzten Jahr wieder aufgeholt haben, gab es in der Schweiz in diesem Bereich sogar einen kleinen Rückschritt.
Das erstaunt Janine Dahinden, die Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Geschlechterfragen, nicht. Je gleichstellungsfreundlicher die Strukturen vor der Pandemie waren, umso rascher holen die Frauen jetzt wieder auf. Dazu gehörten zum Beispiel die Infrastruktur für Kinderbetreuung und jene für die Betreuung älterer Menschen – und da gehört die Schweiz nicht zu den Spitzenreitern.
Die Professorin der Universität Neuenburg weist darauf hin, dass die Schweiz, was Betreuungsarbeit betrifft, schon sehr ungleich gestartet sei. Während Mütter ihren Kleinkindern rund 60 Prozent ihrer gesamten Arbeitszeit widmen, sind es bei den Vätern nur 20 Prozent. Diese Asymmetrie habe sich in der Pandemie verschärft.
Das wirke sich natürlich darauf aus, wie stark sich Frauen im Job engagieren könnten. Es müsse sich ganz grundsätzlich etwas ändern, findet Dahinden. «Solange die Idee vorherrscht, dass sich die Frau um Kinder, Eltern und Grosseltern kümmern muss, kommen wir nicht weiter. Es braucht ein radikales Umdenken.»
Ein langer Weg
Das gilt sowohl für die Hochqualifizierte im Homeoffice wie auch für die Migrantin, die in einem Privathaushalt arbeitet und ihren Job verloren hat. Beide haben wegen der Pandemie massive finanzielle Einbussen zu verkraften. Auch langfristig. Die eine leidet unter einem Karriereknick, die andere muss sich ihre Selbständigkeit wieder neu aufbauen.
Wie sich die Gleichstellung langfristig entwickle, sei schwierig zu sagen, findet Silja Baller vom WEF. «Was man aber sagen kann, ist, dass mit der Vielzahl an Krisen das Risiko für Rückschritte grösser wird.» Klar ist: Es wird noch Jahre dauern, bis die Gleichstellung von Frau und Mann erreicht ist.