Für viele Angehörige der Schweizer Balkan-Diaspora sind die zweiwöchigen Ferien «dunnä» im Sommer ein Pflichttermin. Einige zieht es aber auch für immer wieder auf den Balkan. So etwa Damjan, der vor über zehn Jahren direkt nach seiner Polymechaniker-Lehre von Wald (ZH) nach Bosnien und Herzegowina zog.
Er gründete mit seinem Cousin ein Unternehmen, gerade weil er mehr wollte als die zwei Wochen Sommerferien: «Ich war 19 Jahre alt und habe mir nicht so viel überlegt. Im Sommer mit einem Schweizer Lohn in Bosnien ist das Leben natürlich super. Ich war auch voller Ideale und wollte etwas zurückgeben.»
Abwanderung aus dem Balkan
Auf den ersten Blick erscheint der Schritt aus der Schweiz zurück in den Westbalkan nicht gerade logisch, insbesondere in jungen Jahren: Es ist eine der am schnellsten schrumpfenden Regionen der Welt und die Bevölkerung wird dort gemäss UNO-Schätzungen über die nächsten 20 Jahre um 20 Prozent abnehmen.
Vorwiegend junge Leute wollen weg. Letztes Jahr gaben 67 Prozent von ihnen an, auswandern zu wollen. Dies hat die internationale Organisation Regional Cooperation Council (RCC) in einer Umfrage erhoben.
Demnach sind mangelnde Zukunftsaussichten, Arbeitslosigkeit und Korruption die Hauptgründe, wieso junge Menschen ihre Zukunft anderswo planen.
Mit wenig Geld viel bewirken
«Häufig sind aber Balkan-Rückkehrer unternehmerisch tätig, weil ihnen ein Netzwerk vor Ort fehlt und weil sie Kapital und eine gute Ausbildung mitbringen», sagt Ulf Brunnbauer, der am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung die Rückmigration auf den Balkan erforscht.
Damjan, der durch Arbeitsplätze Perspektiven aufzeigen will, ist somit keine Ausnahme. Auch Haris aus Böckten (BL) hat ein Unternehmen gegründet. Er verlegt gerade seinen Wohnsitz nach Mostar in Bosnien und Herzegowina, wo er Fertighäuser produzieren will.
«Du kannst hier mit viel weniger etwas erreichen. Mit 5000 Franken machst du beispielsweise einen Dönerladen auf», meint er. «Alle gehen raus, ich komme zurück. Ich will den Leuten zeigen, dass es hier auch eine Zukunft gibt.»
Ausserdem habe er die letzten Jahre viel Zeit im Herkunftsland seiner Eltern verbracht und dort die Lockerheit und Entspanntheit schätzen gelernt, so der 29-Jährige. Nun will er definitiv nach Bosnien und Herzegowina.
Die Identitätsfrage
Für Mirela, die gerade erst von Neuenburg nach Sarajevo gezogen ist, spielte die Identitätsfrage ebenfalls eine grosse Rolle. Ihre Eltern hätten die Rückkehr keine gute Idee gefunden, so die 35-Jährige weiter.
Das liege sicherlich auch daran, dass sie Erinnerungen an Krieg und Trauma mit Bosnien und Herzegowina verbänden. Mirela hingegen sieht das Aufwachsen in zwei Kulturen als Chance: «Ich will, dass meine Kinder auch die bosnische Identität kennenlernen. Ich bin selbst an beiden Orten gross geworden und empfinde das als Privileg.»
«Ich bin nie wirklich angekommen»
Damjan, der nun schon seit über zehn Jahren wieder im Balkan lebt, sagt aber auch: «Ich bin nie wirklich angekommen und überlege mir auch wieder in die Schweiz zurückzukehren. Es hat sich hier vieles verbessert in den letzten zehn Jahren, aber so Hals über Kopf herzuziehen wie ich, ist vielleicht nicht die beste Idee.» Die Lockerheit und Entspanntheit sei zwar angenehm, doch werde sie häufig auch romantisiert.