Konkret ging es um ein Urteil zu einem Unfall auf dem Cresta Run in St. Moritz. Ein britischer Soldat verlor vor acht Jahren bei einem Unfall im Eiskanal einen Fuss. Im Februar verurteilte das Kantonsgericht Graubünden den Streckenverantwortlichen des Cresta Runs – wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung.
Beschwerde von Radio SRF gutgeheissen
Der Verantwortliche habe seine Sorgfaltspflichten verletzt, sagte der Gerichtspräsident Norbert Brunner im Februar gegenüber dem «Regionaljournal Graubünden» von Radio SRF. Der Holzpfosten – zur Befestigung eines Sonnensegels – sei zu nahe an der Strecke gewesen. Das schriftliche Urteil wollte der Gerichtspräsident aber erst veröffentlichen, wenn der Entscheid rechtskräftig ist. Ein älteres Urteil zum gleichen Fall hielt der Gerichtspräsident unter Verschluss mit der Begründung, das Urteil sei aufgehoben worden und damit «rechtlich gesehen nicht mehr existent».
Dagegen legte Radio SRF Beschwerde beim Bundesgericht ein und hat nun recht bekommen.
Bundesgerichtsurteil
Die Praxis des Kantonsgerichts, so die Bundesrichter, «widerspricht dem Gebot der Transparenz der Rechtspflege». Denn: «Die Justizöffentlichkeit bedeutet eine Absage an jegliche Form der Kabinettsjustiz», Ziel sei es Transparenz in der Rechtssprechung und damit Vertrauen in die Gerichtsbarkeit zu schaffen.
Geheimjustiz verhindern
Laut dem Urteil der Bundesrichter verletzt die Praxis des Kantonsgerichts die Verfassung. Das Gericht stützt sich dabei auf ein früheres Leiturteil (BGE 139 | 129). Die öffentliche Urteilsverkündung diene dazu, eine Geheimjustiz auszuschliessen. Deshalb müsse die Öffentlichkeit jeweils das ganze schriftliche Urteil kennen:
«Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Kenntnisnahme von Urteilen erstreckt sich grundsätzlich auf das ganze Urteil mit Sachverhalt, rechtlichen Erwägungen und Dispositiv».
Ausnahmen seien aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes denkbar. Weil aber im konkreten Fall die Vorinstanz keine solchen geltend gemacht habe, sei die Beschwerde von Radio SRF stichhaltig.
Kanton Graubünden muss Kosten tragen
Zum Thema
Das Kantonsgericht untergrabe mit seiner Praxis die Kontrollfunktion der Medien und verunmögliche bei schriftlichen Verfahren eine zeitnahe Gerichtsberichtserstattung, so die Begründung des Bundesgerichtes. Der Kanton Graubünden wird mit dem Urteil zur Bezahlung einer Parteientschädigung in Höhe von 3000 Franken verpflichtet. Auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet das Gericht.