Ja, sie sei Feministin, sagt Maya Graf, Grüne Ständerätin und Co-Präsidentin von Alliance F, einem überparteilichen Verein, der sich für die Gleichstellung einsetzt. Nein, sagt Graf hingegen zum Verhüllungsverbot: «Als Feministin setze ich für mich die Wahrung der Rechte und der Freiheiten der Frauen ein. Dazu gehört die freie Wahl ihrer Kleidung.»
Kleidervorschriften für Frauen im 21. Jahrhundert, das gehe nicht, sagt auch Rifa'at Lenzin. Die schweizerisch-pakistanische Islamwissenschaftlerin bezeichnet sich nicht als Feministin. Sie setze sich aber für Frauenrechte ein.
Bei der Mehrheit der Nikab-Trägerinnen in der Schweiz handle es sich um Konvertitinnen, sagt Lenzin. «Sie tragen den Nikab, weil sie das wollen.» Das könne man komisch finden und der Meinung sein, das passe nicht in die Landschaft. «Aber die Religionsfreiheit ist ein Grundrecht. Ich sehe nicht ein, warum man das verbieten soll.»
Sorgen um Signalwirkung
Das Argument lässt Elham Manea nicht gelten. Die Politikwissenschaftlerin ist in Ägypten geboren, hat in verschiedenen Ländern gelebt und zum Thema Frauen und muslimische Gesetze geforscht. Sie ist für das Verhüllungsverbot. «Der Nikab ist für mich Symbol einer religiösen, fundamentalistischen Rechtsaussen-Ideologie.»
Es sei eine Ideologie, die ungestraft die Würde der Frauen verletze. Diese Ideologie passe nicht in die Schweiz. Es gelte, ein Zeichen zu setzen. «Wir sagen: Bis hier und keinen Schritt weiter! In einer freien Gesellschaft müssen Frauen respektiert und ihre Rechte und Würde geschützt werden.»
Der Nikab ist für mich Symbol einer religiösen, fundamentalistischen Rechtsaussen-Ideologie.
Ein Zeichen setzen will auch Gisela Widmer. Die Luzerner Autorin und Dozentin engagiert sich in einem Komitee für das Verhüllungsverbot. Als Feministin müsse man dafür sein, auch wenn es in der Schweiz selber wenige Frauen betreffe.
Für Widmer geht es auch um internationale Frauensolidarität: «Ein Nein zum Verhüllungsverbot wäre ein furchtbarer Affront gegenüber allen Frauen in den über zwei Dutzend Scharia-Staaten, die tagtäglich dafür kämpfen, dass sie sich nicht nach den Vorschriften der Sittenpolizei kleiden müssen – und deswegen auch im Gefängnis landen.»
Ein Nein, denkt Widmer, könnte in Scharia-Staaten falsch gedeutet werden. «Dann können die Mullahs in den Scharia-Staaten zu Recht sagen: Seht ihr, sogar in Europa wird die Verhüllung des weiblichen Körpers befürwortet, wir sind also auf dem rechten Weg!»
Widmer und Manea sehen in Burka und Nikab also ein Zeichen des politischen Islams. Das sei polemisch, entgegnet Islamwissenschaftlerin Lenzin. Es gelte zwischen in der Schweiz und dem Mittleren Osten zu unterscheiden. «Ich sehe nicht ein, warum wir in der Bundesverfassung ein Zeichen für Frauen in Saudi-Arabien oder Pakistan setzen sollen.»
Im Boot mit der SVP?
Dass der Vorschlag aus der Küche des Egerkinger Komitees kommt, in dem vor allem SVP-Politiker sitzen, macht es den Feministinnen zusätzlich schwer. Ständerätin Graf sagt, hier gehe es um Symbolpolitik. «Diese rechtsnationalen Kreise bewirtschaften geschickt ihre Islamfeindlichkeit, indem sie Frauenrechte instrumentalisieren. Wir müssen hier einen Riegel schieben und dürfen nicht in diese Falle tappen.»
In der Sache sind Befürworterinnen und Gegnerinnen der Verhüllungsinitiative gleicher Meinung: Frauen dürften in keiner Art und Weise unterdrückt werden. Ob ein Verhüllungsverbot dabei hilft, da scheiden sich die feministischen Geister.