Zehn Jahre nach dem Unabhängigkeitsreferendum blicken alle britischen Medien auf die historische Wegmarke zurück. Als damals Umfragen zeigten, dass es sehr knapp werden könnte, erschütterte dies das Königreich. Selbst die Queen sagt kryptisch: Sie hoffe, die Schottinnen und Schotten würden sich den Entscheid gut überlegen.
Das Referendum wurde abgelehnt. Die Unabhängigkeit spaltet das Land bis heute ziemlich mittendurch. Aktuelle Umfragen zeigen, dass gut die Hälfte der Bevölkerung die Unabhängigkeit erneut ablehnen würde. Doch der Traum bleibt. Man bleibe dran, sagte kürzlich der damalige First Minister Alex Salmond bei einem Hintergrundgespräch in London.
Schottische Nationalistinnen und Nationalisten findet man quer durch alle Bevölkerungsschichten vor allem im Norden Schottlands. Immer friedlich, aber engagiert und überzeugt. Häufig umfächelt von einer tiefen Abneigung gegen englischen Nationalismus.
Brexit wirkt nach
Eine hohe Zustimmung bis weit über 65 Prozent gibt es in aktuellen Umfragen vor allem in der jüngeren Generation zwischen 20 und 30 Jahren. Dort kommt auch der Brexit ins Spiel, hat doch eine Mehrheit des schottischen Volkes den Austritt aus der EU abgelehnt. Bis heute herrscht das Gefühl, man sei beim Brexit-Referendum von England in Geiselhaft genommen worden.
Für die jüngere Generation der weltoffenen Schottinnen und Schotten ist die Personenfreizügigkeit kein Nachteil, sondern ermöglicht den Zugang zu Universitäten auf dem europäischen Festland. Entsprechend könnte die Demografie bei einem allfälligen nächsten Referendum ein wichtiger Faktor sein.
Welt ist nicht stehen geblieben
Die Umfragen widerspiegeln zwar immer noch das Abstimmungsresultat vor zehn Jahren, doch die Welt hat sich seither stark verändert. Aussenpolitisch, aber auch in Westminster, wo die Tories als grosses Feindbild der schottischen Nationalisten inklusive Boris Johnson nicht mehr in Downing Street sitzen.
Aber auch die Ausgangslage in Schottland ist anders. Eine wichtige Trumpfkarte des damaligen Regierungschefs waren die Steuereinnahmen der Öl- und Gasindustrie in der Nordsee, die er nicht mehr mit London teilen wollte. Die Rede war damals von jährlich umgerechnet 80 Milliarden Franken.
Nun sind am Anfang des postfossilen Zeitalters Unabhängigkeitsträume, die auf Öl bauen, nicht sehr nachhaltig. Schottland hat zwar in der Nordsee sehr viel erneuerbare Energien wie Wind. Doch auch diese Ressourcen lassen sich nicht über Nacht ohne grosse Investitionen kapitalisieren.
Scottish National Party
Die Scottish National Party (SNP) wiederum ist durch diverse Skandale geschwächt und hat sich mehr oder weniger selber zerlegt in den vergangenen Jahren. Alex Salmond hat die Partei verlassen, nachdem Vorwürfe wegen übergriffigen Verhaltens laut wurden.
Seine prominente Nachfolgerin Nicola Sturgeon, die mit einem Anlauf für ein zweites Referendum am Veto von London scheiterte, ist im Februar 2023 völlig unerwartet zurückgetreten. Kurz danach kursierten Bilder ihres von Polizisten umzingelten Hauses. Gesucht werden bis heute gut 600'000 Franken, die in der SNP-Kasse fehlen. Ihr Nachfolger musste bereits nach einem Jahr den Hut nehmen, weil er sich mit grünen Koalitionspartner überworfen hatte.
Die SNP macht momentan vor allem mit ihrem Niedergang Schlagzeilen. Die nächste Wegmarke zum Thema Unabhängigkeit könnten die nächsten schottischen Parlamententswahlen 2026 sein.