Er mischte die Politik in Österreich auf wie kein anderer, der frühere Chef der rechtsnationalen FPÖ, Jörg Haider. Sein angriffiger Stil richtete sich gegen den Staat, die anderen Parteien, Europa und gegen die Ausländer. Haider habe die politische Kommunikation professionalisiert, sagt der Politologe Peter Filzmaier zum 10. Todestag des Rechtspopulisten.
SRF News: Peter Filzmaier, was ist von Haiders politischem Erbe in Österreich geblieben?
Peter Filzmaier: Haiders ursprüngliche Partei FPÖ ist jetzt in der Regierung und fast so stark wie zu seinen Lebzeiten. Sie ist sogar stabiler in der heutigen Regierungskoalition mit der ÖVP. Allerdings kann sich das nicht Haider zugute schreiben, denn er hatte ja zwischenzeitlich das rechte Lager mit der neuen Partei BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) gespalten.
Inhaltlich hat Haider aber auf Dinge im österreichischen System hingewiesen, die nicht mehr zeitgemäss waren wie beispielsweise der Mangel an Direktdemokratie. Dies konnte man nach der Nazizeit gut begründen, war doch das Volk durch Hitlers Propagandamaschinerie manipuliert worden. Ebenso das Proporzsystem, wo sich die Grossparteien der Christ- und Sozialdemokraten alles aufgeteilt hatten.
Das alles war in der Wiederaufbausituation verständlich, nicht mehr aber in den 1980er Jahren, als Haiders Aufstieg begann. Mit dieser Kritik hatte er Recht. Ein Erbe ist es aber nicht, weil es wenig Lösungen gab. Nachhaltig verändert hat er das politische System also nicht.
Die Politik ist heute in Österreich rechtsnational-populistisch gefärbt. War Haider der Wegbereiter?
Es wäre zu einfach, Haider auf den Rechtspopulismus zu reduzieren. Er hat in der Familie nationalistische Wurzeln. Er hat die sehr weit rechtsstehenden Kräfte in der FPÖ zur parteiinternen Machtergreifung genutzt. Er konnte aber auf der Populismus-Klaviatur viel besser spielen. So hat er sich beispielsweise von den ganz Nationalistischen der Partei eher getrennt, als er merkte, dass dies gewissen Wählergruppen zu weit geht.
Er konnte aber auch Linkspopulismus auf der medialen Klaviatur spielen, beispielsweise bei Sozialausgaben und Sozialpolitik. Da hat er mit 100-Euro-Scheinen für Pensionisten bis zu 1000-Schilling-Scheinen für Jugendliche persönlich Steuergeld verteilt. Das Bundesland Kärnten, dem er als Landeshauptmann bis zuletzt vorstand, ist heute noch pleite und leidet unter den Schulden.
FPÖ-Vertreter sagen heute, Haider habe auch einen neuen Politiker-Typ in der Kommunikation erfunden? Stimmt das?
Das stimmt auf jeden Fall. Die Professionalisierung der politischen Kommunikation durch Haider in den 1990er und frühen 2000er Jahren war seine Leistung. Das merkt man unter anderem an den Parteiversammlungen, die er bereits nach amerikanischem Muster mit Konfettis, Luftballons und mediengerechten Fernsehbotschaften gestaltete.
Er zog sich auch mehrmals täglich um, um die Bildmedien zu bedienen. Er war das Kind der Fernseh-Demokratie, während andere Parteien noch der Funktionärsdemokratie frönten. Es wäre interessant zu sehen, wie er die Internet- und Social-Media-Demokratie genutzt hätte.
Bilderchronik zum Leben des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider
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Bild 1 von 11. Die Gedenkstätte in Lambichl, wo Jörg Haider in der Nacht auf den 11. Oktober 2008 tödlich verunfallte. Bildquelle: Imago/Archiv.
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Bild 2 von 11. Überreichung der Jörg-Haider-Medaille an FPÖ-Obmann Strache am 10. Oktober 2018 an der Grabstätte Haiders im Kärntner Bärental. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 3 von 11. BZÖ-Spitzenkandidat Jörg Haider am 28. September 2008 mit Wahlkampagnenleiter Stefan Petzner in Wien. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 4 von 11. «Ärmel aufkrempeln und anpacken»: Jörg Haider ziert 2008 das Plakat der BZÖ für die Nationalratswahlen. Bildquelle: Imago/Archiv.
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Bild 5 von 11. Bei der Segnungszeremonie der Radfahrer am autofreien Tag 2006 am Wörthersee in Klagenfurt amtete Jörg Haider als Assistent. Bildquelle: Imago/Archiv.
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Bild 6 von 11. «Der neue Weg»: FPÖ-Pressekonferenz 2005 mit Herbert Scheibner, Ursula Haubner und Jörg Haider. Bildquelle: Imago/Archiv.
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Bild 7 von 11. Wiener Operball 2002: Jörg Haider in Begleitung. Bildquelle: Imago/Archiv.
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Bild 8 von 11. Der Start der n-tv-Sendung «Talk in Berlin» wurde Anfang 2000 wegen dem FPÖ-Politiker Jörg Haider um zwei Wochen vorgezogen. Bildquelle: Imago/Archiv.
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Bild 9 von 11. Der stellvertetende Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider mit seiner Schwester Ursula Haubner im Jahr 1997. Bildquelle: Imago/Archiv.
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Bild 10 von 11. FPÖ-Wahlwerbung im Jahr 1994: «Die Zukunft Österreichs ist unsere Kunst.». Bildquelle: Imago/Archiv.
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Bild 11 von 11. Der FPÖ-Vorstandsvorsitzende Jörg Haider im Jahr 1986. Bildquelle: Imago/Archiv.
Durch seinen Umgang mit den Medien punktete Haider aber schon damals. Er hielt am Fernsehen keine langen Reden und musste sich dann auch nicht überraschen lassen, was letztlich gesendet wird.
In TV-Diskussionen erhob er immer wieder plakative Vorwürfe, die aus dem Stegreif schlecht widerlegbar waren. Wenn das dann Tage später geschah, war ihm das ziemlich egal. Haider ging sehr zielgruppengerecht vor: Anfänglich waren dies enttäuschte Bürgerliche aus dem Mittelstand, die er von der ÖVP holte. Später gewann er Arbeiter und Angestellte mit kleineren Einkommen von der SPÖ.
Das «Time Magazine» nannte Haider vor 20 Jahren den «erfolgreichsten Rechtspopulisten Europas». War er Wegbereiter der heutigen Tendenzen?
Haider war das Symbol für den gezielten Tabubruch. Etwa im Zusammenhang mit der schrecklichen Geschichte Deutschlands, Österreichs und Italiens während des Nationalsozialismus. Ebenso viel Medienecho und Aufmerksamkeit erhielt er beim Thema Zuwanderung, sei es bei der Wirtschaftsmigration oder bezüglich Flucht und Asyl. Das haben viele Populisten von ihm abgeschaut. Haider hatte allerdings damals fast ein Alleinstellungsmerkmal in Europa. Heute gibt es sehr weit rechtsgerichtete Regierungen von Italien über Ungarn bis nach Polen.
Das Gespräch führte Rino Curti.