«American Rescue Plan», «American Jobs Plan» und «American Family Plan» heissen die drei Ausgabenpakete der Biden-Regierung – in der astronomischen Höhe von rund 6000 Milliarden Dollar. Doch die Vision der Biden-Regierung ist weniger amerikanisch als europäisch. Denn seit dem Siegeszug des Neoliberalismus unter Ronald Reagan gilt in den USA die Lehre: Tiefe Steuern, schlanker Staat.
Die nachfolgenden demokratischen Präsidenten zogen mit. Bill Clinton erklärte das Ende des «Big Government», Barack Obama konzentrierte sich darauf, die Krankenkasse zu erweitern. Und nun kommt Joe Biden, der die politischen Kosten des Zauderns während der Obama-Jahre wohl kennt, und alles auf einmal will.
Progressive Visionen für die USA
Zwei Jahre Vorschule für alle Kinder. Zwei Jahre Gratis-College. Staatlich bezahlte Elternferien und Krankentage. Generelles Kindergeld. So lauten bloss die neusten Vorschläge, die der US-Präsident vor dem versammelten Kongress vorgestellt hat. Solche europäischen Umverteilungsideen waren bisher verbannt ins Reich der linken Träumereien.
Doch Joe Biden ist angetreten, um die US-Gesellschaft fundamental umzubauen. Er will sie gerechter und nachhaltiger machen. Der US-Staat soll wieder zur lenkenden Macht ausgebaut werden. Dazu will Biden Billionen Dollar umverteilen – von oben nach unten, und von der Privatwirtschaft in die öffentliche Infrastruktur.
Ein starker Plan, eine starke Opposition
Diese «Investition in die Zukunft der Nation, einmalig in einer Generation», will er mit Steuererhöhungen für Unternehmen, Reiche und Kapitalgewinnende bezahlen. Er will die Steuerschlupflöcher stopfen, in den USA und anderswo. Biden nannte «Bermuda, die Schweiz und Cayman Island» als Steuerparadiese für US-Unternehmen.
Allerdings: Bidens Pläne stehen bisher grösstenteils auf dem Papier. Der Sozialausbau durch die Covid-Hilfe läuft kommendes Jahr aus. Alles andere – von Brückenbau bis zum Elternurlaub – muss im Kongress umgesetzt werden. Die Republikaner und Republikanerinnen dort halten seine Pläne für verschwenderisch bis übergeschnappt. Das Wort «Opportunity» verstehen sie ganz anders – privatwirtschaftlich. Und es genügt schon ein zweifelnder Demokrat im Senat, um Bidens Vision zu vereiteln.
Joe Biden hat den Ball weit ins Feld geworfen, mal sehen, wer ihm nachrennt oder wer auf halber Strecke nach Europa stehen bleibt.