Die Opposition schiesst fast täglich scharf gegen die neue ÖVP-FPÖ-Regierung. Anlässe gibt es viele. Die nationalkonservative FPÖ reiht einen Fauxpas an den nächsten. Insgesamt 21 sogenannte «Einzelfälle» von Rechtsextremismus wurden in der FPÖ in den letzten 100 Tagen gezählt.
Dazu produzierte ihr Innenminister Herbert Kickl einen handfesten Geheimdienstskandal, als er – kaum im Amt – eine Razzia im Verfassungsschutz anordnete und dessen Chef feuerte. FPÖ-Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache musste sich nach einem unflätigen Facebook-Posting bei ORF-Anchorman Armin Wolf entschuldigen und 10'000 Euro bezahlen.
Kurz, der «Schweigekanzler»
Bundeskanzler Sebastian Kurz, «der jüngste Regierungs-Chef der Welt» (News), schweigt zu solcherlei meist. Das hat ihm den Spitznamen «Schweigekanzler» eingetragen. Doch damit kann er gut leben, denn er ist mit Abstand der beliebteste Politiker Österreichs. Zudem sind laut einer Umfrage des Instituts IMAS 59 Prozent der Befragten zufrieden mit der bisherigen Arbeit der Regierung. Das liegt meilenweit über den Werten der letzten Regierung (27 Prozent), einer grossen Koalition.
Ein wichtiger Grund für die guten Umfragewerte der Regierung ist Kurz’ strenges Kommunikationsregime. «Message control» heisst das Zauberwort. Es bedeutet, dass nach der Regierungssitzung nicht mehr alle, sondern nur noch einzelne Minister mit den Medien reden dürfen. Und diese wiederholen ständig die zuvor eingebläuten Kernbotschaften. Die Medien ärgern sich und sie spotten. Aber die Rechnung der Regierung geht auf.
«Ideologisch homogene Regierung»
Bereits in den Jahren 2000 und 2003 gab es sogenannte schwarz-blaue Regierungen, also ÖVP-FPÖ-Koalitionen. Doch diese zerbrachen jeweils vorzeitig. Dass dies auch wieder passiert, glaubt der Politologe Laurenz Ennser von der Universität Wien nicht. «Es gibt in jeder Koalition immer Spannungen. Aber prinzipiell ist diese Regierung sicher ideologisch homogener als die, die wir davor hatten.»
Und die ORF-Ikone Armin Wolf bezeichnet Regierungs-Chef Sebastian Kurz als «den mächtigsten Kanzler seit Bruno Kreisky». Er dürfte Recht haben, denn anders als seine ÖVP-Vorgänger hängt Kurz nicht mehr von der Gunst der einst allmächtigen Landesobmänner ab, sondern hat seine Gefolgsleute um sich geschart.
Kurz sitzt fest im Sattel
Sicher, nach hundert Tagen ist es noch früh für ein Urteil. Die schmerzhaften Seiten der strammen Rechtspolitik sind vielerorts noch nicht spürbar. Die Kritik an den teilweise drastischen Sparmassnahmen wird sich noch verstärken. Und ja, der rechtskonservativen FPÖ ist es noch nicht gelungen, den Habitus der populistischen Oppositions-Partei abzulegen.
Dass sie so viel Energie dafür verschwendet, ein längst beschlossenes Rauchverbot in Gaststätten abzuwenden oder in Wien berittene Polizisten einzuführen, zeigt, dass sie ihre Prioritäten offensichtlich fragwürdig legt. Viel Schaden richtet sie damit indes nicht an. Denn Jungkanzler Sebastian Kurz sitzt fest im Sattel und hält den Schaden durch die FPÖ klein. Wer auf ein rasches Ende dieser schwarz-blauen Koalition wettet, dürfte höchstwahrscheinlich sein Geld verlieren.