- In Bulgarien ist die prowestliche Regierung von Ministerpräsident Kiril Petkov durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden.
- Für den Antrag der bürgerlichen Oppositionspartei GERB und damit gegen die Regierung stimmte im Parlament von Sofia eine Mehrheit von 123 Abgeordneten.
- Petkov wurde nur noch von 116 Abgeordneten unterstützt.
Die Oppositionsparteien hatten das Misstrauensvotum mit Kritik an der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung begründet. Erst vergangenen November war Petkow als Sieger aus der Parlamentswahl hervorgegangen und hatte eine Vier-Parteien-Koalition geschmiedet.
Petkows Regierung war erst seit Dezember im Amt. Er hatte versprochen, die weit verbreitete Korruption im ärmsten EU-Land zu bekämpfen und die Justiz zu reformieren. Für seinen Sturz machte Petkow Vorgänger Boiko Borissow (GERB) und auch Russland verantwortlich. Nach der Niederlage sagte er: «Dieses Votum ist nur ein kleiner Schritt eines sehr langen Wegs. Eines Tages werden wir ein Bulgarien ohne Aktionen hinter den Kulissen, ohne Mafia haben.»
Neuwahlen sind möglich
Die GERB hatte ihren Antrag mit einem «Scheitern der Regierung bei der Finanz- und Wirtschaftspolitik» begründet. Die Inflationsrate in Bulgarien lag im Mai bei 15.6 Prozent. Spediteure protestierten am Tag des Misstrauensvotums vor dem Parlament gegen die hohen Treibstoffpreise. Die populistische Partei ITN des Entertainers Slawi Trifonow hatte kürzlich aus Protest gegen Petkows Nordmazedonien-Politik ihre vier Minister aus der bisherigen Vier-Parteien-Regierung zurückgezogen.
Trifonow warf dem Regierungschef vor, im Alleingang Zugeständnisse an das Nachbarland machen zu wollen. Bulgarien blockiert seit Ende 2020 den Beginn von EU-Aufnahmeverhandlungen mit Nordmazedonien. Der Verfassung zufolge bekommt Petkows Anti-Korruptions-Partei «Wir führen den Wandel fort» nun nochmals den Auftrag zur Regierungsbildung. Mit 67 Abgeordneten hat sie die grösste Fraktion im 240 Sitze umfassenden Parlament – ist aber weit von einer eigenen Mehrheit entfernt. Angesichts der untereinander zerstrittenen Parteien schliessen Experten auch Neuwahlen im Herbst nicht aus.