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Schmerzvolle Aufarbeitung der Terroranschläge von 2015
Aus 10 vor 10 vom 06.09.2021.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 8 Sekunden.

13. November 2015 in Paris Bataclan-Attentäter stehen vor Gericht

Vor fast sechs Jahren attackierten Terroristen das Musiktheater Bataclan, das Stadion Stade de France und verschiedene Bistros und Bars in Paris. 130 Menschen kamen ums Leben, hunderte wurden verletzt und ein ganzes Land traumatisiert.

Am Mittwoch beginnt das Gerichtsverfahren gegen den einzigen überlebenden Terroristen Salah Abdeslam und 19 mutmassliche Helfer. Der Prozess vor einem Schwurgericht wird 1800 Zivilklagen behandeln, vertreten durch 330 Anwälten und soll neun Monate dauern.

Auch viele unsichtbare Verletzungen

Arthur Dénouveaux ist ein Überlebender, dessen Verletzungen vom Terroranschlag unsichtbar sind: posttraumatische Belastungsstörungen, die er nur dank psychologischer Hilfe einigermassen im Griff hat.

Was an dem Abend geschah – ich kann die Augen schliessen und bin wieder dort.
Autor: Arthur Dénouveaux Überlebender und Präsident der Opfervereinigung «Life for Paris»

«Wenn ich müde bin, mehr Stress habe als sonst, dann kommt alles zurück. Ganz tief drin ist etwas, das sich nicht behandeln lässt, vielleicht ein Leben lang nicht», sagt Dénouveaux. 

Fast zeitgleich erfolgen die acht Anschläge auf das Fussballstadion, auf Gäste auf den Terrassen von Restaurants und Bars und auf den Musikclub Bataclan, wo die US-Rockband «Eagles of Death Metal» auf der Bühne steht.

13. November 2015, 21:40 Uhr, Bataclan

Arthur Dénouveaux steht mitten unter den 1500 Konzertbesuchern. Er habe sofort begriffen, dass das ein Attentat sei. Von seiner Militärzeit wusste er noch, dass man nicht einfach flüchten darf. Doch genau das taten fast alle.

«Sie trampelten über mich hinweg. Dabei wurden wohl viele getroffen. Ich bin langsam Richtung Notausgang gerobbt, über die Körper von Menschen, von denen ich nicht weiss, ob sie tot waren oder sich tot stellten», erinnert sich Dénouveaux. 

Er schafft es aus dem Gebäude, lotst gar die geflüchteten Bandmitglieder zu einem Taxi und fährt selbst nach Hause, wo er weinend in der Dusche zusammenbricht.

Der Mammutprozess beginnt

Die Attentatsserie hat Frankreich nachhaltig verändert. Der Ausnahmezustand dauerte fast zwei Jahre. Und das neue, drakonische Anti-Terrorgesetz kostet ein grosses Stück Freiheit. Heute erscheint in Paris alles wieder normal, das Theater Bataclan ist renoviert und geöffnet, genauso wie die Restaurants. 

Mit dem Prozess, der im extra dafür gebauten Gerichtssaal im Justizpalast auf der Île de la Cité beginnt, drohen aber viele Wunden wieder aufzubrechen. Anwältin Samia Maktouf versucht, die 40 Opfer und Angehörigen, die sie vertritt, so gut wie möglich darauf vorzubereiten.

«Viele der Zivilkläger haben noch nie einen Gerichtssaal von innen gesehen. Ich habe zwei Klienten, die wieder hospitalisiert werden mussten, weil der bevorstehende Prozess ihren Schmerz und das Trauma wieder aufleben lässt», sagt Maktouf. 

Hoffnung auf reinigende Wirkung

Was aber erwarten die Opfer von diesem Prozess? Das Wichtigste sei zuallererst, sagt Samia Maktouf, dass man den Tätern überhaupt den Prozess mache. «Und dann erwarten sie Antworten, Wahrheiten. Infragestellungen. Präzisierungen zu den Umständen, die Angehörige oder sie selber zu Opfern machten.»

Von den Angeklagten selbst erwartet Arthur Dénouveaux allerdings vorsichtshalber nichts: «Selbst in den Zeugenstand zu treten und unsere Wahrheit zu erklären, das ist wichtig. Dass diese Wahrheit nicht von Journalisten gefiltert wird. Und dass die Justiz entscheidet und so  öffentlich beurkundet ist, was uns Schreckliches widerfahren ist.»

So sehr viele Opfer des Attentats den Prozess fürchten, so sehr erhoffen sie sich auch eine reinigende Wirkung. Im kollektiven Gedächtnis aber bleibt der erlebte Horror vom 13. November 2015 in Paris eingebrannt.

10 vor 10, 06.09.2021, 21:50 Uhr ; 

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