Ein Hochschulraum für Europa mit vergleichbaren Studiengängen und mehr Austausch von Studierenden zwischen den Hochschulen: Das waren die Ziele der Bologna-Deklaration, welche die Schweiz vor 20 Jahren unterzeichnet hat und welche die Hochschullandschaft bis heute prägt.
Die Reaktionen sind gemischt. Bei den damals neuen Fachhochschulen gab es Zweifel. Doch heute zieht Crispino Bergamaschi ein positives Fazit. Er vertritt die Fachhochschulen in der Hochschullandschaft Schweiz: «Die Fachhochschulen haben die Bologna-Reform als Chance gesehen und auch genutzt. Sie haben das Studium ganz neu gedacht, noch stärker auf die Bedürfnisse der Arbeitswelt ausgerichtet, modularisiert und damit auch individualisiert.»
Studierende an den Fachhochschulen würden heute Teile der Ausbildung im Ausland machen, weil der Austausch vereinfacht wurde. Die Rückmeldungen aus der Praxis seien positiv, so Bergamaschi. Er ist zudem Direktions-Präsident der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Weniger positiv beurteilt dies Toni Schmid, Geschäftsführer vom Verband der Fachhochschul-Absolventinnen und -Absolventen. Es sei schwieriger geworden, dass Studierende nach dem Bachelor das Fach oder die Hochschule wechseln könnten.
Schmid kritisiert darüber hinaus, dass die Fachhochschulen den Universitäten nicht gleichgestellt seien und fügt als Beispiel an, dass nur Universitäten Doktorate vergeben können.
«Die Studiendauer hat sich stark verlängert»
Noch kritischer bewerten Universitätsvertreter die Bologna-Reform. An der Universität Basel bilanziert etwa Ökonomie-Professor Bruno S. Frey: «Die Studiendauer hat sich stark verlängert, die Abbruchquote hat eher zugenommen. Die Bilanz ist ernüchternd.»
Nur das Ziel der internationalen Mobilität sei erreicht. Studierende können leichter Universitäten im Ausland besuchen. Ein Austausch, wie ihn auch die Fachhochschulen feststellen.
Frey kritisiert ausserdem, dass das vernetzte Denken abhanden gekommen sei. Studierenden würden sich statt auf Inhalte, auf die erforderlichen Punkte konzentrieren. Diese Kritik ist so alt wie die Reform. Denn Bologna brachte an den Universitäten mehr Struktur, besonders in den Fächern der geistes-, sozialwissenschaftlichen und juristischen Fakultäten.
Verschlechterung bei Juristen
Vorbehalte gibt es auch in der Praxis – bei Anwaltsbüros und Gerichten. Am Bezirksgericht Frauenfeld zum Beispiel meint Präsident Rudolf Fuchs: «Ich habe den Eindruck, dass Studienabgänger im Jus-Bereich früher einen besseren Gesamtüberblick hatten.»
Unter Bologna werden verschiedene Fächer in den ersten Jahren abgeschlossen und bis zum Studienende nicht mehr thematisiert. Doch die Kritik wurde erhört: als grösste juristische Fakultät der Schweiz reformiert jene der Universität Zürich ihre Ausbildung bis in zwei Jahren grundlegend.
Fokussierung auf Kernkompetenzen
Dabei soll der praxisrelevante Pflichtstoff besser auf Bachelor- und Master-Stufe aufgeteilt werden, wie der zuständige Professor Alain Griffel erklärt. Zudem fokussiere die Reform auf Kernkompetenzen. «Die Fähigkeit zur Textanalyse, die Schreibkompetenz, logisches Denken und Schreiben, die Anwendung der juristischen Methodik und das vernetzte Denken sollen gefördert werden.»
Der Wechsel zum Bologna-System habe damals zügig vorangehen müssen, erklärt Griffel. Nun aber brauche es Korrekturen.