- Nach dem Fund eines Massengrabs mit den Leichen von 215 Kindern auf dem Gelände eines ehemaligen Umerziehungslagers rief Kanadas Premierminister Justin Trudeau die katholische Kirche auf, für ihre Rolle als Betreiberin solcher Einrichtungen Verantwortung zu übernehmen.
- Rosanne Casimir, Oberhaupt der Tk'emlups te Secwepemc First Nation in der westlichen Provinz British Columbia, forderte eine öffentliche Entschuldigung des Vatikans.
- Inzwischen gedachte Papst Franziskus auf dem Petersplatz in Rom in einer ersten Stellungnahme der toten Kinder.
«Ich habe mit Schrecken die Nachrichten aus Kanada empfangen», sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche vor vielen Gläubigen. Es werde weiter daran gearbeitet, Licht in die Sache zu bringen. Er rief dazu auf, sich von dem ideologischen Kolonisationsmodell zu entfernen und die Rechte aller Söhne und Töchter Kanadas anzuerkennen.
Das Massengrab in der Nähe der Stadt Kamloops in British Columbia war Ende Mai entdeckt worden. Aus Respekt für die Privatsphäre der überlebenden Opfer und ihrer Angehörigen sei die Nutzung des Luftraums über der Schule eingeschränkt worden, teilte der zuständige Minister Marc Miller via Kurznachrichtendienst Twitter mit. Premierminister Trudeau erklärte, der 30. September sei zum nationalen Tag der Wahrheit und Erinnerung deklariert worden.
UNO-Menschenrechtsexperten forderten in einer Stellungnahme Kanadas Regierung und den Vatikan auf, umfassende Untersuchungen zu den Todesumständen der Kinder und zu etwaigen Verantwortlichen zu veranlassen. Die Experten sprachen von «abscheulichen Verbrechen» und Menschenrechtsverstössen in den Internaten.
Es wäre «schlicht unvorstellbar», wenn der kanadische Staat und der Vatikan die Verantwortlichen ungeschoren davonkommen liessen und sich nicht um eine umfassende Entschädigung kümmerten, hiess es. Ermittlungen seien an allen derartigen Einrichtungen in Kanada nötig, um Folter- und Missbrauchsvorwürfen nachzugehen und womöglich noch lebende Übeltäter zur Rechenschaft zu ziehen.
Auf der ersten Pressekonferenz seit dem Fund sagte Rosanne Casimir laut Medienberichten, ihre indigene Gemeinschaft habe sich kürzlich mit dem örtlichen katholischen Bischof getroffen – aber das reiche nicht. «Wir wollen eine Entschuldigung – eine öffentliche Entschuldigung, nicht nur für uns, sondern für den Rest der Welt», zitierte sie die kanadische Zeitung «The Globe and Mail». «Wir machen die katholische Kirche dafür verantwortlich.»
Auch Trudeau machte der katholischen Kirche schwere Vorwürfe. Sie sei ihrer Verantwortung nie gerecht geworden und stemme sich noch immer gegen eine rückhaltlose Aufklärung. Er sei «tief enttäuscht» vom Vorgehen der Kirche, die nun endlich Dokumente freigeben und die Opfer der Verbrechen entschädigen müsse.