Am 11. Februar ist es 30 Jahre her, dass Nelson Mandela mit hocherhobener Faust durch das Gefängnistor bei Kapstadt geschritten ist. Fast ebenso lange hatte der berühmte Freiheitskämpfer hinter Gittern gesessen.
Senzo Majozi war erst fünf Jahre alt, als Mandela aus dem Gefängnis entlassen wurde. Doch er erinnert sich, dass seine Eltern damals von einem Sieg über die Ungerechtigkeit, von Freiheit und Wohlstand für alle gesprochen hatten.
«Die Demokratie nützt nur gewissen Leuten»
Viel habe sich seitdem jedoch nicht verändert, meint er: «Bislang besteht die Demokratie für uns nur darin, dass Politiker kurz vor den Wahlen zu uns kommen und alles Mögliche versprechen. Danach verschwinden sie wieder in ihren Villen, die sich keiner von uns leisten kann. Die Demokratie nützt nur gewissen Leuten.»
Das Township Mzinyathi, in dem Majozi mit seiner Familie lebt, ist einer der vielen Orte in Südafrika, in denen die Bürger in den letzten Jahrzehnten immer wieder für ihre Grundrechte protestiert haben.
Südafrika seit dem Ende der Apartheid
Protestiert wurde für Häuser statt Hütten, für Strom, Wasser und Toiletten. Bei der Bildungspolitik habe die Partei Mandelas, der ANC, ebenso versagt wie auf dem Arbeitsmarkt. Seinen Job als Automechaniker hat er im Herbst verloren.
«Das Problem besteht darin, dass wir zwar die Apartheid der Regierung abgeschafft haben, nicht aber die Grundlagen der Ungleichheit in unserem Land. Wir werden das Gefühl nicht los, dass es uns während der Apartheid sogar besser ging als jetzt in der Demokratie.»
Schmiergelder und Verbindungen zum ANC
«Ich habe mich schon so oft beworben, aber am Ende bekommt immer jemand anderes den Job, selbst wenn er schlechter qualifiziert ist.»
Was zähle, seien Schmiergelder und gute Verbindungen zur Regierungspartei ANC, bemängelt Majozi und ist mit dieser Kritik nicht allein. Korruption und Vetternwirtschaft sind spätestens unter Ex-Präsident Jacob Zuma ausgeufert. Die ohnehin riesige Kluft zwischen Arm und Reich ist gewachsen, statt zu schrumpfen.
Die Zeit sei reif für einen Teil 2 des Freiheitskampfes für eine wirtschaftliche Befreiung, fordern vor allem junge Südafrikaner. Und das zu Recht, meint Politikwissenschaftlerin Lubna Nadvi: «In den 80er und 90er Jahren ging es darum, Strukturen wie die gesetzlichen Grundlagen der Apartheid abzuschaffen. Seit der Jahrtausendwende wächst das Bewusstsein dafür, dass wir andere Kämpfe wieder aufnehmen müssen, weil wir die grosse Ungleichheit in unserem Land noch immer nicht besiegt haben.»
Das sei auch Mandela anzukreiden, heisst es immer wieder. Dieser habe auf seinem Versöhnungskurs in der Wirtschaftspolitik ebenso wie bei der konfliktträchtigen Landfrage zu viele Kompromisse gemacht.
Nadvi weist diese Kritik jedoch zurück. «Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es etliche Beispiele für langjährige Bürgerkriege. Das war damals auch hier eine reale Gefahr, die Mandela verhindert hat.» Der Traum, dass Südafrika die Regenbogennation sei, die alle Probleme in kurzer Zeit lösen könne, habe sich nicht erfüllt.
Die Stimmung im Land ist angespannt. Kriminalität und Proteste nehmen zu, das Vertrauen in die Regierung nimmt ab. Andererseits erweist sich die südafrikanische Demokratie als wehrhaft. Mit ihrer weitgehend unabhängigen Justiz, freien Medien und einer wachsamen Zivilgesellschaft. Die Bilanz ist 30 Jahre nach Mandelas Freilassung also durchwachsen.
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