Die wenigsten sagen es so deutlich wie Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss, die Mitgründerin der Globalen Drogenkommission. Die Frage des Westschweizer Radios, ob die UNO-Drogenpolitik gescheitert sei, bejaht sie ohne Zögern: «Ja, das muss man so sagen.»
Bisher setzte die internationale Drogenpolitik auf die Kriminalisierung der Drogenkonsumenten. In den USA sitzen 800'000 Menschen in Gefängnissen wegen Marihuanakonsums, im Iran und anderswo werden Menschen hingerichtet, wenn sie Kleinstmengen von Drogen besitzen.
Eine Welt ohne Drogen ist eine Illusion.
Doch allmählich steigt der Druck auf die für den Anti-Drogenkampf zuständige Behörde UNODC in Wien, umzudenken, sagt Dreifuss: «Immer mehr Länder sehen ein, dass man mit dem bisherigen Rezept – mit der Kriminalisierung des Drogenkonsums – nicht weiterkommt.»
«Nicht locker lassen»
Chef der UNODC ist der Russe Yuri Fedotov. «Mehr und mehr Länder verlangen einen umfassenderen, ganzheitlicheren Ansatz, der auch gesundheitspolitische Aspekte und die Menschenrechte berücksichtigt», räumt er ein.
Für Fedotov selber, dessen russische Heimat einen harten Kurs verfolgt, scheint jedoch die repressive Ausrichtung nach wie vor prioritär: «Wir dürfen hier nicht lockerlassen.»
Das Drogenproblem ist ein Gesundheitsproblem, kein strafrechtliches.
Unter seinen Mitarbeitern mit Felderfahrung wächst jedoch der Widerstand. Eine Chefbeamtin verfasste neulich einen überaus kritischen Bericht, der von der UNO-Behörde zurückgehalten wurde. Publik wurde er trotzdem, und zwar durch den Gründer der britischen Virgin-Gruppe, Richard Branson, der zusammen mit Ruth Dreifuss für eine neue Drogenpolitik kämpft:
«Das Drogenproblem ist als Gesundheits- und nicht als strafrechtliches Problem zu behandeln. Seit sechzig Jahren dauert der sogenannte ‹Krieg gegen Drogen› an, obschon er längst gescheitert ist.» Und er ergänzt: «Als Unternehmer würde ich niemals zusehen, wie eine Firma sechzig Jahre lang Verluste schreibt. Ich hätte sie wohl bereits nach einem Jahr dichtgemacht.»
Repressionen fördern Drogensucht
Ein simpler Vergleich, etwa zwischen dem drogenpolitisch eher repressiven Frankreich und den recht liberalen Niederlanden oder Portugal zeigt: Deutlich mehr Drogensüchtige gibt es, gemessen an der Bevölkerungszahl, in Frankreich.
Europa sucht neue Wege. Neuerdings tun das selbst einige Bundesstaaten der bisher repressiv orientierten USA. Lateinamerika denkt um, langsam auch Afrika. Weiter auf Kriminalisierung setzen Russland und China und generell asiatische und arabische Länder. Der Kampf um die Drogenpolitik ist entbrannt. Auch innerhalb der UNO: Die Weltgesundheitsorganisation WHO und das UNO-Entwicklungsprogramm sind für ein Umdenken, die UNODC bremst.
Es braucht neue Wege
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres fordert eine engere Zusammenarbeit zwischen seinen Behörden und hofft so, einen Neuanfang herbeizuführen: «Ich plädiere für eine engere Kooperation innerhalb der Vereinten Nationen.»
Der bisherige Ansatz hat also versagt. Doch was ist die Alternative? Man müsse neue Wege erproben und vor allem realistisch bleiben, sagt Ruth Dreifuss: «Es ist eine Illusion, zu glauben, es werde jemals eine Welt ohne Drogen geben.»