Der Zweite Weltkrieg wird in Stalingrad entschieden: wenn nicht auf dem Feld, so doch im Kopf. Denn tatsächlich hat die deutsche Wehrmacht grössere operative Niederlagen erlebt.
Zum ersten Mal zeichnet sich nämlich in Stalingrad ab, dass die deutschen Truppen verletzlich sind, dass Hitler im Osten verlieren könnte, und dass ein Drittes Reich mit dem wahnwitzigen Plan auf eine Weltherrschaft scheitern könnte.
Die deutsche Kriegsführung unter Adolf Hitler erklärt Stalingrad zum operativen Ziel ihrer Kriegsführung. Einerseits wegen ihrer industriellen und geostrategischen Bedeutung – die Stadt liegt an der Wolga, rund 400 Kilometer nördlich der Mündung des Flusses ins Kaspische Meer. Andererseits wegen ihres Symbolwerts – 1925 wurde das ehemalige Zarizyn zu Ehren Stalins umgetauft.
Zwischen Hitler-Deutschland und der Sowjetunion unter Stalin besteht seit August 1939 ein Nicht-Angriffs-Pakt.
Doch der «Führer» verfolgt seine Weltmachtpläne weiter und greift im Juni 1941 die Sowjetunion an. Trotz fürchterlichen Verlusten im Winter 1941 und in der irrigen Annahme, die Sowjets seien «am Ende ihrer Kraft», beauftragt Hitler im Spätsommer 1942 General Friedrich Paulus mit der Einnahme von Stalingrad.
Zunächst gelingt es den deutschen Verbänden, bis nach Stalingrad vorzudringen. Die Stadt wird während zwei Wochen ununterbrochen von deutschen Flugzeugen aus bombardiert. Doch die Zivilisten geben trotz hohen Verlusten nicht auf und verschleissen die deutschen Truppen und ihre Verbündeten in Häuser- und Strassenkämpfen, dem sogenannten «Rattenkrieg».
Einer russischen Gegenoffensive kann Paulus' 6. Armee dann letztlich nicht standhalten.
Nach Angaben verschiedener Historiker sehen sich im November 1942 zwischen 250'000 und 300'000 Deutsche umzingelt von der Roten Armee – und ausser ihnen Zehntausende Hilfssoldaten verbündeter Nationen.
Die Lage der unzureichend versorgten Soldaten ist aussichtslos. Dennoch bestehen Hitler und die militärische Führung auf eine Fortführung der verlustreichen Kämpfe, er verspricht eine Versorgung aus der Luft. Doch dieser Plan entpuppt sich als unmöglich. Die Soldaten hungern und frieren. Trotz der Kälte – die Temperaturen liegen in diesem Winter 1942/43 bei minus 30 Grad Celsius und weniger – dürfen sie nachts kein Feuer anzünden.
Auf ein Verhandlungsangebot der Sowjets Anfang Januar 1943 will sich Hitler nicht einlassen – die Generäle folgen den Anweisungen des «Führers», denn sonst droht die Todesstrafe.
Schliesslich ergeben sich die Truppen der deutschen Wehrmacht doch noch. Rund 10'000 versprengte Soldaten, die sich in Kellern und der Kanalisation versteckt hielten, setzen ihren Widerstand noch bis Anfang März 1943 fort.
In den Kämpfen, die bis Februar 1943 dauern, kommen mindestens eine halbe Million russische Soldaten ums Leben. Die Zahlen der deutschen Opfer schwanken nach diversen Quellen zwischen 150'000 und 250'000.
Von den mehr als 90'000 deutschen Soldaten, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft kommen, kehren bis 1956 etwa 6000 Überlebende nach Deutschland zurück.
Viele der Gefallenen Soldaten werden nach der Schlacht von der Bevölkerung in Massengräber gelegt. Bauarbeiter im heutigen Wolgograd stossen immer noch regelmässig auf sterbliche Überreste.
Im vergangenen Jahr sind in einem Massengrab etwa 500 Tote exhumiert worden. An den Uniformresten und an den Stiefeln kann man erkennen, dass es sich um deutsche Soldaten handelt.
Auch wenn die Stadt an der Wolga im Rahmen der Entstalinisierung 1961 nochmals einen neuen Namen erhält und heute Wolgograd heisst: Um die grosse Schlacht breitet sich in der Sowjetunion und später in Russland ein Gedenkkult aus, der bis heute auch politischen Zwecken dient. So gibt es Stimmen, die die Rückkehr zum Namen Stalingrad fordern.