Der Migrations-Pakt der UNO verliert weiter an Rückhalt: Gestern hat auch die Schweizer Regierung den Pakt vorerst auf Eis gelegt. Eine spätere Zustimmung schliesst der Bundesrat aber nicht aus. Bereits vorher hatten ihm andere Staaten eine endgültige Absage erteilt, unter anderem die USA, Israel, Australien, Österreich, Ungarn, Polen.
Formell verabschiedet werden soll der Migrations-Pakt nächsten Monat in Marrakesch. Was die Übereinkunft noch wert ist, wenn sich viele Staaten nicht beteiligen, sagt Steffen Angenendt. Er leitet die Forschungsgruppe globale Fragen mit Schwerpunkt Migration bei der Stiftung SWP.
SRF News: Hat der Pakt überhaupt noch eine Zukunft?
Steffen Angenendt: Ich glaube, der Pakt hat Zukunft. Er ist wichtiger denn je. Auch wenn sich einige Regierungen dagegen entschieden haben oder noch unentschlossen sind, ob sie mit abstimmen. Der Pakt ist ein grosser Schritt nach vorne und den brauchen wir unbedingt.
Der Widerstand zeigt, dass es vielen Kritikern gar nicht um Migration geht.
Wie erklären Sie sich diesen grossen Widerstand?
Ich glaube, der Widerstand in einigen Ländern zeigt, dass es vielen Kritikern gar nicht um Migration geht. Der Widerstand sitzt tiefer. Ich glaube, dass es eher um die internationale Zusammenarbeit insgesamt geht. Es gibt eine Abkehr vom Multilateralismus, es gibt mehr nationale Alleingänge und bilaterale Deals, nach Trump-Vorbild. Hauptsache, es werden kurzfristige Erfolge erzielt. Ob die Politik langfristig wirksam ist, interessiert da nicht.
Und was steckt dahinter?
Hinter den jetzigen Protesten steht schon auch parteipolitisches Kalkül, da geht es darum, innenpolitische Vorteile zu bekommen, indem man ein Thema aufgreift, mit dem man skandalisieren kann.
In dem Pakt ist nirgendwo davon die Rede, dass die positive Wirkung der Migration auch für illegale oder irreguläre Migration gilt.
Das wird sehr genutzt, wenn wir uns die Kampagne hier in Deutschland angucken, die hauptsächlich von der AfD geführt wird. Man sieht, dass das Thema systematisch falsch dargestellt wird, dass Missverständnisse geschürt werden. Es wird eine regelrechte Kampagne gefahren und das hat eben innenpolitische Gründe.
Was sagen Sie zum Vorwurf, im Pakt werde Migration romantisiert?
Das ist eine Fehlinterpretation oder eine Fehlwahrnehmung. Es steht ein Satz drin, dass Migration positive Folgen hat. Den muss man aber im Kontext sehen. Im ganzen Pakt geht es ausdrücklich um geregelte, sichere und legale Migration. Geregelte, sichere und legale Migration hat positive Wirkungen.
In dem Pakt ist nirgendwo davon die Rede, dass das auch für illegale oder irreguläre Migration gilt. Das wird in der öffentlichen Debatte immer falsch dargestellt. Es wird auch bewusst falsch dargestellt, um den Pakt in ein falsches Licht zu rücken. Ansonsten denke ich, dass die Unterstützer immer noch zahlreich sind. Da sind gewichtige Staaten dabei und auch wenn die USA und einige andere Staaten nicht mitziehen, würde ich doch erwarten, dass der Pakt in Marrakesch am 10. und 11. Dezember verabschiedet wird.
Das Gespräch führte Rino Curti.