«Unser Projekt heisst ‹Ghana Beyond Aid› – ein Ghana, welches die Mentalität von Abhängigkeit, Hilfe und Almosen hinter sich lässt.» Das verkündete Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo beim Staatsbesuch in Bern im Februar 2020. Ghana will in Zukunft ohne Entwicklungshilfe auskommen.
Ein Drittel von Ghanas Staatsbudget kommt aus Hilfe und Darlehen von aussen – lässt man Schuldzinsen und Löhne von Staatsangestellten aussen vor. Oft bestimmen die Geldgeber, wohin ihre Hilfe fliesst. Doch Ghana will mehr Selbstbestimmung. Das soll mit mehr Steuereinnahmen, grösserer Agrarproduktion und verstärkter Industrialisierung erreicht werden.
«Eine gute Idee», sagt Samuel Adams, Professor für öffentliche Verwaltung in Accra. «Entwicklung muss von innen kommen, das hat die Geschichte gezeigt.» Hilfe von aussen mache bequem. Er gibt zu bedenken, dass sich im demokratischen Ghana noch einiges verbessern muss: «Der Rechtsstaat muss funktionieren. Und die Korruption wurde bisher nicht direkt angegangen.»
Das Pandemie-Kit ist abgelaufen
Wegwerf-Thermometer, Desinfektionsmittel, Masken und Handschuhe vergammeln in der Schachtel. Sie bilden ein «Pandemic Preparedness Kit», welches 25 Menschen für fünf Tage durch eine Pandemie bringen könnte – wäre es nicht im September 2014 abgelaufen, wie die Aufschrift zeigt.
In einem Raum der Dorfschule von Bonsaaso lagern zudem dutzende Kartonschachteln mit abgelaufenen Medikamenten. Auch mehrere Kisten des Verhütungsmittels Implanon liegen dort herum. Eine Kiste mit 64 Packungen hätte in der Schweiz einen Marktwert von rund 20'000 Franken.
Das «Millennium Villages Project» wollte demonstrieren, wie Dörfer aus der Armut geholt wurden. Zehn Jahre waren die Helfer in Bonsaaso aktiv, vor sechs Jahren überliessen sie das Dorf wieder sich selbst. «Nachdem die Helfer abgezogen waren, entdeckten wir das Material in einem abgeschlossenen Raum», erzählt Mark Amponsah, Abgeordneter der Distriktversammlung.
Die Computer sind verstaubt
Die rund zehn Linux-Computer sind voller Staub und Spinnweben. Der Computerraum der Dorfschule wurde mit Solarenergie betrieben. Die Spannung aus der Batterie ist auf die Computer angepasst. Seit die Solaranlage vor zwei Jahren kaputtging, laufen die Computer nicht mehr.
Es ist nicht das einzige Computerprojekt in der Gegend, das keine Zukunft hatte. In einer anderen Schule lagern zwölf defekte Laptops aus dem «Millennium Villages Project». Ein anderer PC zeigt das Bild des früheren Präsidenten, der damals jedem Schulkind einen Computer versprochen hatte.
Die Computer zeigen, was mit Spenden passieren kann, wenn niemand dazu schaut. In Ghanas Provinz wissen nur wenige, wie man Linux updatet, wo es Ersatzakkus gibt. Es mangelt an Wissen und Ressourcen, um Projekte wie das «Millennium Villages Project» erfolgreich weiterbetreiben zu können.
Die Telemedizin funktioniert nicht
In den Dörfern um Bonsaaso hat das Millenniumsdorf-Projekt die Gesundheitsversorgung ausgebaut. Telemedizin, unterstützt von der Schweizer Novartis-Stiftung, sollte das Gesundheitswesen revolutionieren.
Im Spital St. Martin’s in Agroyesum zeugt ein grosses Holzpult davon. «Das Equipment für die Telemedizin wurde anderswo hingebracht», sagt Spitalleiter Ralph Odom. Der Staat führt das Projekt weiter. Nicht nur die Telemedizin-Ausrüstung wurde abgezogen – auch gutes Personal wanderte nach dem Ende des Millenniumsdorf-Projektes ab.
Der Testanruf bei der staatlichen Telemedizin-Nummer zeigt: Niemand hebt ab. Die Gesundheitszentren rund um das St.-Martin’s-Spital haben sich unterdessen selbst organisiert – via Whatsapp. «Das ist nun unsere Telemedizin», erklärt Chefkrankenschwester Mary Taabazuing.
In Ghanas Peripherie kann der Staat nicht alle nötigen Leistungen erbringen. Das Spital wird zur Hälfte von der katholischen Kirche finanziert, die Strassen sind lehmige Erdpisten, Strom gibt es nur teilweise. Andererseits können die ghanaischen Kinder gratis zur Schule.
«Wir würden gerne alle Bedürfnisse unserer Bevölkerung stillen», erklärt Ghanas Informationsminister Kojo Oppong Nkrumah. Doch momentan gehe das nicht. Dafür will der Staat mehr Einnahmen generieren, etwa mit einer Verbreiterung der Steuerbasis.
Eine Schokoladefabrik geht voraus
In der Hafenstadt Tema riecht es schon von weitem nach Schokolade. Hier wird Kakao verarbeitet – Ghanas wichtigstes Agrarprodukt. Noch immer verlässt der Löwenanteil von Ghanas Kakaobohnen das Land unverarbeitet.
Die Fabrik von «Niche Cocoa» wurde 2007 vom Ghanaer Edmund Poku gegründet und ist die erste Kakaoverarbeitungsfirma in lokalen Händen. Zunächst produzierte die Fabrik Kakaomasse, Butter und Pulver. Seit drei Jahren stellt «Niche Cocoa» auch Schokolade her. Sie schmeckt gut.
Lokale Wertschöpfung ist eines der zentralen Elemente der Idee von «Ghana Beyond Aid», wie Präsident Akufo-Addo bei seinem Besuch letztes Jahr dem Bundesrat erklärte. Seither wird in sozialen Medien spekuliert, Ghana wolle der Schweiz keinen Kakao mehr liefern. So weit ist es aber noch lange nicht.
Bis zu einem «Ghana Beyond Aid», einem Ghana ohne Entwicklungshilfe von aussen, wird es noch Jahre dauern. Es ist ein ambitionierter Plan des Präsidenten. Doch wer sich keine Ziele setzt, wird sie auch nie erreichen.