Thailand ist eine beliebte Feriendestination. Doch während einige Touristen an die Badestrände reisen, gehen andere in den Drogenentzug.
Nebst den teuren Luxus-Kliniken ist ein Ort in Thailand dafür ganz besonders bekannt: Das buddhistische Kloster Thamkrabok. Hier, zwei Stunden ausserhalb von Bangkok, haben Zehntausende von Drogenabhängigen in den vergangenen sechzig Jahren versucht, die Sucht hinter sich zu lassen, zum Teil mit Erfolg.
Im Entzugszentrum des Klosters Thamkrabok knien Patienten über einer Abflussrinne und erbrechen, begleitet von Trommelmusik. Mönche und Nonnen streichen ihnen über den Rücken und ermuntern sie, weiter zu machen.
In den ersten Tagen ist dies das Ritual eines jeden Drogenabhängigen, der zum Entzug ins Kloster kommt. Die Männer und Frauen müssen einen bitteren Trank, gebraut aus über 100 Pflanzen, trinken, dazu viel Wasser; dann übergeben sie sich. So soll ihr Körper entgiftet werden.
Der kalte Entzug
Freddie reinigt sich eben das Gesicht. Der Prozess sei schmerzhaft, aber jetzt, nach dem 16. Tag, fühle er sich deutlich besser als am Anfang, sagt der junge Neuseeländer, der seit Jahren Alkohol- und Methamphetamin-abhängig ist: «Ich war schon in einigen Entzugskliniken in Neuseeland. Dort kriegst du Medikamente. Hier gibt's nichts ausser dem kalten Entzug. Dafür sind wir hier in einer spirituellen Gemeinschaft, meditieren und sitzen mit den Mönchen, wenn sie beten. Das hilft mir sehr.»
Aufmüpfige Mönche und Nonnen
Ungefähr 150 buddhistische Mönche und 50 Nonnen leben im Kloster Thamkrabok, einige waren selbst drogenabhängig. Das Kloster wurde lange Zeit nicht von der Regierung anerkannt. Die Geistlichen galten als aufmüpfig, versteckten Flüchtlinge und beugten sich den Generälen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in wechselnder Abfolge an die Macht geputscht hatten, nicht.
Vor einigen Jahren nun wurde das Kloster offiziell anerkannt – auch wegen des erfolgreichen Entzugsprogramms. Die thailändische Regierung, die die Drogensüchtigen bislang wie Kriminelle behandelt hat, erkennt selbst langsam, dass Hilfe besser ist als Strafe, um das grosse Drogenproblem in Thailand zu lösen.
Doch die Mönche von Thamkrabok weigern sich, Drogenabhängige, die ihnen die Regierung zuweist, aufzunehmen. Aufgenommen wird hier nur, wer freiwillig kommt. Und niemand darf zweimal zum Entzug ins Kloster kommen. Wer eintritt, legt einen Eid ab, nie mehr Drogen zu nehmen.
Vom Drogensüchtigen zum Mönch
Einige Abhängige bleiben nach dem Entzug im Kloster, so wie der Engländer Peter, ein ehemaliger Schlagzeuger und seit einigen Jahren buddhistischer Mönch. Die buddhistische Lehre sei relevant für die Patienten, glaubt er: «Buddha sagte, ein Grossteil des Lebens sei wie eine Sucht: unser ständiges Verlangen nach etwas Besserem, nach mehr, nach einer Karriere, materiellem Besitz – jedes Verlangen verursacht Leiden. Zu dieser Einsicht gelangt ein Drogensüchtiger, wenn er durch den schmerzhaften Prozess des Entzugs geht. Und er versteht, dass er nicht anders ist als andere Menschen.»
Nach 20 Jahren Drogensucht sauber
Serge hat diesen Prozess bereits hinter sich. Der Schweizer Pflegefachmann steht vor dem Dampfbad und spricht mit dem Mönch, der eben die Kräuter zubereitet. Serge war zwanzig Jahre lang drogenabhängig, viele Jahre davon von Heroin, dann von Methadon.
Erst als er mittellos und hochverschuldet am Totenbett seines Vaters stand, entschied er sich, sein Leben zu ändern und kam nach Thailand. In den ersten Tagen des Entzugs habe er sich nur noch gewünscht zu sterben. «Das Leiden war für mich essentiell, im Sinn, dass ich wusste, dass ich das nie mehr erleben will. Es war so schlimm, dass mich das bis heute sauber hält.»
Der wahre Test beginnt nach der Rückkehr
Die Mönche im Kloster sind keine medizinischen Fachpersonen und führen keine Statistiken über die Erfolge oder Rückfallquoten ihrer Patienten. Laut internationalen Drogenexperten haben Zentren, die mit traditioneller Medizin arbeiten, jedoch oft grossen Erfolg bei der Entgiftung des Körpers.
Die wahre Herausforderung beginne, wenn die Patienten in ihr Umfeld zurückkehrten. Die Daheimgebliebenen glaubten, die Drogensüchtigen seien nach dem Entzug geheilt, aber sie seien wie zarte, junge Pflänzchen, sagt Ajjan Vichit Akkajitte, der Vize-Abt des Klosters: «Sie müssen umsorgt und unterstützt werden, bis sie starke Wurzeln haben.» Er glaubt, die Sucht sei nur zu 20 Prozent ein körperliches Problem, 80 Prozent müsse im Kopf gelöst werden.
Man ist für sein Leben selbst verantwortlich
Serge ging nach dem Entzug zurück in die Schweiz und schaffte Ordnung in seinem Leben. Seit einem Jahr ist er sauber und arbeitet wieder. Im vergangenen Dezember kehrte er für drei Monate ins Kloster zurück, um den Mönchen bei der Arbeit zu helfen – aus Dankbarkeit. An diesem Nachmittag sitzt er mit den Patienten zusammen. Sie singen «Hurt» von Johnny Cash, der selbst lange Jahre drogenabhängig war. Serge aber sagt, Selbstmitleid sei nicht der richtige Weg. Sein Drogenentzug habe funktioniert, weil er es gewollt habe «und mich niemand dazu gezwungen hat.»
Er habe im Kloster etwas verstanden: dass er selbst für sein Leben verantwortlich sei und auch dafür, ob er Drogen spritze oder nicht.