In den engen Gassen der malerischen Altstädte von Split oder Dubrovnik gibt es im Hochsommer kaum ein Durchkommen. Alle Touristenorte an den kroatischen Adria-Stränden erleben einen regelrechten Tourismus-Boom.
Trotz dieses Booms geht es der Wirtschaft im jüngsten EU-Land nicht gut. Nur mit Mühe windet sie sich aus den Folgen der grossen Krise von 2008. Viele Kroaten suchen nach Arbeit. Wer aber denkt, freie Arbeitsstellen werden deshalb schnell besetzt, irrt. Vor allem in den touristischen Hochburgen an der Küste suchen Arbeitgeber verzweifelt nach Personal.
Schon in den letzten Jahren rekrutierte man Köche, Kellnerinnen, Barmänner und Zimmermädchen in den ärmeren Nachbarländern. «Wir haben inzwischen viele Arbeitskräfte aus Bosnien-Herzegowina, aus Serbien und auch aus Montenegro», sagt Duje Vulas von der Tourismus-Organisation der Stadt Split.
Früher kamen im Sommer für die Saison viele Arbeitskräfte aus dem entfernten und wirtschaftsschwachen Hinterland Kroatiens an die Küste. Diese Leute sind in den letzten Jahren aber zu Zehntausenden vor allem nach Deutschland ausgewandert. Dort profitieren sie von der EU-Personenfreizügigkeit und von deutlich höheren Löhnen.
«In den letzten fünf Jahren sind die Löhne in Hotels und Restaurants merkbar gestiegen», bestätigt Duje Vulas. Aber das reicht nicht, um der Abwanderung etwas entgegenzusetzen. Der Exodus aus Kroatien geht ungebremst weiter.
Die Arbeitgeber haben darum starken Druck auf die Regierung ausgeübt. Diese hat nach langem Zögern jetzt die diesjährigen Kontingente für Ausländer auf 68'000 erhöht – für den Tourismus, aber interessanterweise auch für die Bauwirtschaft.
Es überrascht, dass kroatische Arbeitgeber auch auf dem Bau und in anderen Branchen nur noch mit Mühe Personal finden, denn anders als dem Tourismus geht es den meisten anderen Wirtschaftsbranchen in Kroatien schlecht. Elf Jahre hat es gedauert, bis man wieder auf das Niveau von vor der Krise gekommen ist. Kein EU-Land hat so lange gebraucht.
Bei den kroatischen Bauunternehmen ging nach 2008, in Folge der Krise, mehr als jeder dritte Arbeitsplatz verloren. Trotzdem fehlen jetzt die Bauarbeiter. Domagoj Ferdebar, der Generalsekretär der Baugewerkschaft, erklärt wieso: «Der Hauptgrund sind die tiefen Löhne. Nachdem soviel Arbeitsplätze verloren gegangen waren, nützten die Baufirmen die Situation aus und drückten die Löhne auf ein jämmerliches Niveau», sagt er.
Kein Wunder also, dass ein Exodus nach Deutschland und in andere EU-Länder einsetzte, als für Kroatien der freie Personenverkehr geöffnet wurde. In den letzten zwei Jahren seien die Löhne auf dem Bau dann zwar wieder gestiegen, zum Teil sogar um 40 Prozent. An der Abwanderung änderte dies aber nichts mehr. Denn sie hat noch weitere Gründe. «Was den Leuten fehlt, ist auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Viele bekommen nur befristete Verträge und vielerorts werden die Leute gezwungen viel länger zu arbeiten, als es der Kollektivvertrag erlaubt – in Extremfällen bis 80 Stunden pro Woche», sagt der Gewerkschafter.
Die Abwanderung hat auch Gründe ausserhalb der Wirtschaft. Viele Junge glauben nicht mehr daran, dass die Politiker das Land reformieren und von Korruption und Vetternwirtschaft befreien wollen.
Arbeiter aus Bangladesch sollen helfen
Und wo will die Regierung jetzt die Arbeitskräfte herholen, wenn die eigenen Leute davon laufen? «Schon jetzt beschäftigen einzelne Firmen Arbeitskräfte aus Pakistan, Bangladesch und Indien», sagt Domagoj Ferdebar.
Und offenbar arbeitet die Regierung mit Bangladesch an einem Abkommen, um dort künftig Arbeitskräfte im grösseren Stil zu rekrutieren – vor allem für die Baubranche. Für Hotelangestellte denkt man eher an die Philippinen.
Dass die Regierung die Arbeitskräfte so weit her holen will, hat einen Grund. Auch die Nachbarländer auf dem Balkan leiden unter Abwanderung. Bosnien, Serbien und Albanien verlieren ebenso jedes Jahr Zehntausende Arbeitskräfte, die ihr Glück dort suchen wo die Löhne besser sind und wo sie für sich eine Perspektive sehen. Und das, obwohl es für sie keine EU-Personenfreizügigkeit gibt.