- Die bisherige Arbeitsministerin Elisabeth Borne wird neue französische Premierministerin. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ernannte die 61-Jährige zur Nachfolgerin von Jean Castex.
- Bornes Amtseinführung findet noch am Montagabend statt. Sie ist beauftragt, eine neue Regierung zu bilden.
- Die französische Regierung unter Premierminister Castex hatte am Nachmittag ihren Rücktritt eingereicht. Der Schritt gilt in Frankreich als Formalie nach einer Präsidentenwahl.
Über die wahrscheinliche Ernennung von Elisabeth Borne zur Regierungschefin war bereits im Vorfeld spekuliert worden. Borne gehört zum linken Flügel von Macrons Partei La République en Marche. Sie ist nach Edith Cresson (Amtsinhaberin von Mai 1991 bis April 1992) erst die zweite Regierungschefin in der Geschichte der 5. Französischen Republik.
Workaholic mit Verhandlungsgeschick
Die gebürtige Pariserin Elisabeth Borne absolvierte eine Ingenieurhochschule und arbeitete viele Jahre in unterschiedlichen Ministerien sowie bei der Staatsbahn SNCF und den Pariser Verkehrsbetrieben. 2017 wurde sie zunächst beigeordnete Ministerin, 2019 dann Ministerin für ökologischen Wandel und 2020 Arbeitsministerin. Während ihrer Amtszeit als Arbeitsministerin sank die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren.
Borne entspricht Macrons Wunsch, den Posten mit einer Person zu besetzen, die sich der sozialen Frage, der Umweltherausforderungen sowie der Produktivität verpflichtet fühlt. Sie gilt als kompetente, loyale und diskrete Führungsperson mit Menschenkenntnis, der weniger an politischen Spielchen, und dafür mehr an Kenntnis der Dossiers und Themen gelegen ist.
Ich bin eine linksgerichtete Frau. Soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit sind die Kämpfe meines Lebens.
Borne wird zudem als diskrete Technokratin bezeichnet. Während Macrons erster Amtszeit hat sie sich als eiserne Verhandlungsführerin gegenüber den Gewerkschaften einen Namen gemacht. «Sie ist ein echter Workaholic, jemand, der bis 03.00 Uhr morgens durchhält und um 07.00 Uhr morgens wieder da ist», sagte ein ehemaliger Mitarbeiter von Borne.
«Ich bin eine linksgerichtete Frau. Soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit sind die Kämpfe meines Lebens», sagte die neue Premierministerin kürzlich in einem Interview. «Jedem zu helfen, sich durch Arbeit zu emanzipieren, ist ein linker Wert.»
Bröckelnder Rückhalt für Macron
Mit der Nominierung von Borne reagiert Macron auch auf das Wahlergebnis bei seiner Wiederwahl vor einem Monat. Zwar konnte er sich in der Stichwahl deutlich gegen seine rechtspopulistische Rivalin Marine Le Pen durchsetzen. Allerdings wuchsen die Kräfte an den linken und rechten Extremen des Parteienspektrums.
Viele im Land sind von seiner Politik enttäuscht oder frustriert. Weil schon in einem Monat mit den Parlamentswahlen die nächste Hürde für Macron ansteht, ist es für den Liberalen wichtig, mit einer neuen Regierung unter der neuen Premierministerin sowohl linke als auch konservative Wählerinnen und Wähler anzusprechen. Mit Borne soll nun eine Politikerin mit umwelt- und sozialpolitischer Glaubwürdigkeit Ministerpräsidentin werden.
Castex' Rücktritt wurde erwartet
Vor Bornes Nominierung hatte am Montag Amtsinhaber Jean Castex seinen Rücktritt eingereicht. Es ist in Frankreich üblich, dass der Premierminister noch vor dem offiziellem Amtsantritt des wiedergewählten oder neuen Präsidenten den Rücktritt der Regierung anbietet. Der Schritt kam gut drei Wochen nach der Präsidentschaftswahl jedoch überraschend spät. Jean Castex war während 22 Monaten als Premierminister im Amt.