Am Wochenende sind 52 medizinische Fachkräfte aus Kuba in der Lombardei eingetroffen. Italien hatte den karibischen Inselstaat um Unterstützung im Kampf gegen das Coronavirus gebeten. Laut der Johns Hopkins University zählte Italien am Sonntag über 59'000 bestätigte Infektionen und mehr als 5400 Todesfälle. Rund 7000 Menschen gelten als genesen.
Kuba hat eine lange Tradition in humanitärer Hilfe. Seit 1963, vier Jahre nach der Revolution von Fidel Castro, schickte es nach offiziellen Angaben insgesamt mehr als 400'000 Ärzte im Namen der internationalen Kooperation in 164 Länder. Manche der Aufnahmeländer zahlen für die Dienste, in anderen Fällen – derzeit in 22 Ländern – kommt Havanna für die Kosten auf.
Kubanische Ärzte und Pfleger arbeiten derzeit im Auftrag ihrer Regierung in gut 60 Ländern, wo sie teils dringend benötigte Beiträge zur Gesundheitsversorgung leisten. Sie sind für den sozialistischen Staat auch ein Mittel der Diplomatie. Grosses Lob gab es international für den Einsatz kubanischer Mediziner 2014 im Kampf gegen Ebola in Afrika.
Solche Entsendungen bestimmten aber auch massgeblich das Einkommen des kubanischen Staates, sagt Sandra Weiss. Sie berichtet für verschiedene Medien aus Lateinamerika. «Missionen von Ärzten, aber auch etwa von Militärberatern, sind der wichtigste Devisenbringer des Landes – noch vor dem Tourismus und den Rücküberweisungen ausgewanderter Kubaner.»
Vorwurf der modernen Sklaverei
Doch das kubanische Modell steht auch stark in der Kritik. Im November zeigten sich die UN-Sonderberichterstatter für gegenwärtige Formen der Sklaverei in einem Brief an die Regierung besorgt über die Arbeitsbedingungen der Mediziner. Diese könnten der Zwangsarbeit gleichkommen, hiess es. Ausserdem hätten aus Kuba geflüchtete Ärzte bei der UNO eine Beschwerde wegen moderner Sklaverei eingereicht, erzählt Weiss.
Das Coronavirus ist auch in Havanna angekommen. Noch vor einer Woche hatte Kuba weltweit Touristinnen und Touristen angelockt mit dem Slogan, die ganzjährige Sonneneinstrahlung sei gut für die Abwehrkräfte. «Die Idee war im ersten Moment verlockend», so Weiss. Ab Dienstag macht Kuba seine Grenzen nun aber dicht. «Kuba steckt – wieder einmal – in einer sehr schweren Wirtschaftskrise.»
Inzwischen ist die Zahl der Infizierten in Kuba auf 35 angestiegen, ein italienischer Tourist ist gestorben. «Die Kubaner haben relativ schnell verstanden, wie gefährlich das Virus ist und die Kehrtwende vollzogen», sagt die Journalistin. Dass dem Inselstaat durch die medizinischen Fachkräfte durch Auslandseinsätze ausgehen, sei nicht zu befürchten: «Auf 1000 Einwohner kommen in Kuba acht Ärzte. Das sind so viele wie in der Schweiz.»
Das Problem sei anders gelagert: Durch das Embargo der USA fehlten dem sozialistischen Karibikstaat Medikamente, Mundschutz, Handschuhe und medizinische Gerätschaften. Und: Der Altersdurchschnitt in Kuba sei im Vergleich zum restlichen Lateinamerika relativ hoch. Da das Coronavirus unter anderem für die ältere Bevölkerung besonders gefährlich ist, sei Kuba «noch längst nicht auf der sicheren Seite», schliesst Weiss.