«Beendet den Krieg, jetzt!», sagte der populäre Moderator Chris Hayes beim linkslastigen TV-Sender MSNBC. Es ist eine Reaktion auf die «Afghanistan Papers», die ein desolates Bild der amerikanischen Mission am Hindukusch zeichnen. Konservative Kommentatoren sind für einmal einig mit Hayes.
Dass es nicht läuft wie gewünscht in Afghanistan, ist nicht neu. Eigentlich sollte der Auftrag ja längst erfüllt sein. Der Einsatz werde vielleicht ein paar Monate oder auch zwei Jahre dauern, sagte der damalige Präsident George W. Bush. Das war vor achtzehn Jahren. Die USA kommen nicht vom Fleck und suchen einen raschen Ausweg, soviel war längst klar.
Kriegsmüde USA
Doch die Enthüllungen der Washington Post beschreiben ein Versagen auf der ganzen Linie – und systematische Bestrebungen, den Ernst der Lage zu vertuschen. Die meisten in den Dokumenten zitierten Personen waren davon ausgegangen, dass ihre Aussagen nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Sie sprachen deshalb bei der internen Untersuchung offen und direkt. Das verleiht den nun veröffentlichten «Afghanistan Papers» eine unverfälschte Wucht.
Die US-Bevölkerung ist ohnehin längst kriegsmüde. Trumps «America First»-Doktrin ist populär. Warum sollen amerikanische Frauen und Männer ihr Leben in Afghanistan lassen – diese Frage wird jetzt noch lauter gestellt als zuvor. Ohne klare Strategie hätten die USA planlos Milliarden verschleudert und tausende Menschenleben geopfert, so die ernüchternde Botschaft der Dokumente.
Unfähige afghanische Truppen
Das stärkt zum einen Trumps Argumente für einen baldigen Truppenabzug. Von links bis rechts steigt der Druck, nicht noch mehr amerikanische Menschenleben aufs Spiel zu setzen – für einen Krieg, bei dem so vieles schief läuft. Doch die Enthüllungen schwächen auch Trumps Verhandlungsposition gegenüber den Taliban. Mit einer derart diskreditierten US-Mission lässt sich nur schwer eine Drohkulisse für Verhandlungen aufbauen.
Eigentlich sollten längst die afghanischen Armee- und Polizeitruppen für Ordnung im Land sorgen. Milliarden hatten die USA in deren Aufbau investiert. Doch Angehörige der US-Armee bezeichnen diese Truppen in den «Afghanistan Papers» als «miserabel». Viele seien entweder drogenabhängig, korrupt, oder sie gehörten zu den Taliban. Zugleich zeichnete die US-Armeeführung in der Öffentlichkeit das ungetrübte Bild effizienter und erfolgreicher afghanischer Truppen.
Mit unermüdlicher Hartnäckigkeit hat Journalist Craig Whitlock jahrelang für die Veröffentlichung der Dokumente gekämpft. Seine Artikel in der Washington Post wirken ähnlich entblössend wie die so genannten «Pentagon Papers», die in den 70er-Jahren die tatsächliche Misere des Vietnamkrieges öffentlich machten. Die Enthüllungen trugen damals zum Rückzug der USA aus Vietnam bei – nicht ausgeschlossen, dass die «Afghanistan Papers» eine ähnliche Wirkung haben werden.