Von ihrem Eckbüro im 16. Stock an New Yorks First Avenue fällt der Blick direkt aufs UNO-Hauptgebäude und den East River. UNO-Vizegeneralsekretärin Mirjana Spoljaric ist allerdings nicht oft hier. Zumal ihre 2600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hauptsächlich «im Feld» arbeiten: in Osteuropa, im Kaukasus, in Zentralasien: «Also in einer Region, die sich an der Frontlinie des früheren Kalten Krieges befindet und die immer noch mit den Spannungen aus jener Zeit umgehen muss», sagt sie.
Entsprechend muss sie die Balance halten, um die mächtigen regionalen Akteure einzubinden: «Ohne eine gute Zusammenarbeit mit der EU, mit Russland, mit der Türkei können wir nichts erreichen und diese Agenda nicht umsetzen.» Und diese Agenda, die «Agenda 2030», ist ein Mammutprojekt.
Dass sie Schweizerin ist, spielte zwar, wie sie sagt, keine Rolle bei ihrer Wahl. Für ihre Arbeit jedoch sehr wohl: «Ich habe in meinen knapp zwanzig Jahren im diplomatischen Dienst der Schweiz gelernt, wie wichtig Unparteilichkeit und Sachlichkeit ist im Umgang mit Staaten ist. Diese Neutralität ist für mich jetzt sehr nützlich und sie wird geschätzt.»
Armut im Fokus
Die Länder, für die Spoljaric zuständig ist, gehören nicht zu den ärmsten, sondern rangieren im mittleren Wohlstandsbereich. Armut gäbe es aber auch dort: «Wenn wir über Armut sprechen, können wir uns nicht mehr nur auf die ärmsten Länder der Welt konzentrieren.»
Ausserdem: Aufgrund von schlechter Regierungsführung, von Korruption oder durch Konflikte, können ehemals wohlhabende Länder sehr rasch abstürzen. Simbabwe, Syrien oder Iran sind Beispiele dafür.
Frauenrechte sind zentral
Zentral auf dem Weg der UNO-Nachhaltigkeitsziele sei die Gleichberechtigung von Frauen: «Wir werden vermutlich keines der Ziele der ‹Agenda 2030› erreichen, wenn wir nicht die Gleichstellung von Mann und Frau schaffen.» Die Widerstände blieben hier jedoch stark – nicht beschränkt auf eine Kultur oder eine Religion.
Bei der «Agenda 2030» geht es, anders als noch bei den UNO-Millenniumszielen, nicht mehr einfach darum, dass der reiche Norden bezahlt, um den armen Süden zu entwickeln: «Es geht vor allem darum, dass wir der Mehrheit der Staaten helfen, die nötigen Mittel auf nationaler Ebene zu beschaffen. Nur so ist eine echt nachhaltige Entwicklung möglich.»
Trendwende in der Entwicklungspolitik
Alleine mit der klassischen staatlichen Entwicklungshilfe lassen sich die hoch gesteckten Nachhaltigkeitsziele unmöglich erreichen. Entwicklungshilfe würden nur noch die allerärmsten Länder erhalten: «Der Rest der Welt muss sich so organisieren, dass die benötigten Gelder im Rahmen der bestehenden Strukturen oder mit solchen, die erst noch geschaffen werden müssen, zu finden sind.»
Etwa indem mehr Geld aus den Rohstoffeinnahmen in den Förderländern bleibt, indem eine bessere Regierungsführung Investitionen erleichtert, indem es funktionierende Steuersysteme gibt oder indem die Finanzflucht gestoppt wird.
Mirjana Spoljaric sieht die Hauptaufgabe für sich selber und für das UNDP darin, diese Trendwende zu ermöglichen. Noch befindet man sich, gemäss einer Analyse unabhängiger, aber von der UNO eingesetzter Wissenschaftler, in vielen Bereichen nicht auf Kurs.