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Alle gegen den Onlinehändler Boykott-Aufrufe gegen Amazon in Frankreich

In Frankreich sind wegen des Corona-Lockdowns die meisten Läden geschlossen, nur online ist weiter alles zu haben. Gewerbetreibende und Politiker fordern deshalb in Petitionen ein «Weihnachten ohne Amazon» und verlangen Extra-Steuern für den «Krisengewinnler».

Kein einziges Geschenk soll von Amazon unter den Weihnachtsbaum gelegt werden, fordern 120 Politiker, Ladenbesitzerinnen, Umweltaktivisten und Schriftstellerinnen in einer Online-Petition. Eine andere verlangt, die Verkäufe des Digitalkonzerns und notorischen Steuervermeiders zusätzlich mit einer Abgabe zu belegen.

Der amerikanische Online-Versandriese avanciert in Frankreich gerade zum Lieblingsfeind der Nation. «Amazon macht Profit, während viele kleine Unternehmen in Schwierigkeiten sind», rechtfertigt der Ökonom Henri Sterdyniak die Forderung nach einer Extra-Steuer.

Der Lockdown als gutes Geschäft

Seit dem 30. Oktober ist Frankreich zwecks Virusbekämpfung zum zweiten Mal im Lockdown. Alle Geschäfte, die keine lebenswichtigen Güter anbieten, wurden dichtgemacht. Und dieses Mal müssen auch Supermärkte Regale mit Spielzeug, Kleidern oder Büchern aus Wettbewerbsgründen absperren.

Das macht das E-Business attraktiv, und so konnte Marktführer Amazon allein im November den Umsatz um 40 bis 50 Prozent steigern. Ein Ärgernis für zahllose Ladenbesitzer, die trotz milliardenschwerer Finanzspritzen der Regierung vor dem Ruin stehen. Frédéric Duval, Chef von Amazon France, verweist darauf, dass der US-Konzern immerhin 9300 Angestellte in Frankreich beschäftige. «Ein unqualifizierter Job bei Amazon, oft schlecht bezahlt, zerstört zwei besser entlohnte Stellen bei kleineren Unternehmen», hält Sterdyniak dagegen.

Marktplatz für Kleinunternehmen

Amazon ist aber auch ein Marktplatz für gut 11'000 französische Klein- und Kleinstunternehmen. «Ohne Amazon würden wir gar nicht existieren», betont Laure Dufour. Sie führt zusammen mit ihrem Mann und Zeichner die Papeterie-Boutique «Ticky Tacky». Sie vertreiben ihre mit grosser Liebe zum Detail gestalteten Karten, Sticker und aktuell kreative Weihnachtswunsch-Päckchen Sachen für Klein und Gross auf dem Marktplatz des Online-Versands.

Auch dies findet vor den Augen des Ökonomen keine Gnade: «Amazon ist wie ein Krake. Das Unternehmen stellt den Händlern seine Plattform zur Verfügung, hat aber die Tendenz, deren Waren sukzessive mit eigenen Produkten zu ersetzen.» Für Sterdyniak ist es höchste Zeit, der zunehmenden Monopolisierung Einhalt zu gebieten. Mit einer globalen Digitalsteuer sollen die Branchen-Giganten wie Google, Facebook, Apple oder eben Amazon zur Kasse gebeten werden. Ein internationaler Konsens darüber steht allerdings nach wie vor aus und soll am virtuellen G20-Treffen von morgen Samstag wieder Thema sein.

Weihnachtsgeschäft in Gefahr

Was die Amazon-feindliche Stimmung in Frankreich noch zusätzlich anheizt, ist der bevorstehende Schnäppchentag «Black Friday» am 27. November. Zwar sinken die Ansteckungsraten und Spital-Einweisungen langsam, doch die Regierung hält einen raschen «Lock-up» für leichtsinnig. Die Läden riskieren, bis im Dezember geschlossen zu bleiben. Dermassen im Gegenwind zeigt sich Amazon jedoch einsichtig: Der US-Konzern ist bereit, die Rabattschlacht um eine Woche zu verschieben.

Tagesschau, 20.11.2020, 19:30 Uhr

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