Im Exklusiv-Interview mit der «Rundschau» nahm Syriens Machthaber Baschar al-Assad auch Stellung zu Foltergefängnissen wie Saydnaya. Laut einem Bericht von Amnesty International starben in diesen Einrichtungen 17'000 Menschen.
Assad erklärt dazu, die Menschenrechtsorganisation sei «nicht unabhängig». Der Amnesty-Bericht sei von Katar finanziert worden, «um uns als Bösewichte darzustellen, um die syrische Regierung zu beschmutzen». Zudem stellt Assad zögerlich in Aussicht, dass das Internationale Rote Kreuz (IKRK) Zugang zu den Gefängnissen erhalten könnte: «Falls es Vorwürfe gibt, müsste man es diskutieren.»
Vorwürfe wie während des Kalten Krieges
Amnesty International kritisiert die Aussagen des Diktators scharf: «Der Vorwurf der Finanzierung aus Katar ist völlig aus der Luft gegriffen», so Amnesty Sprecher Beat Gerber. «Amnesty nimmt grundsätzlich keinerlei Regierungsgelder entgegen und kritisiert immer wieder auch Menschenrechtsverletzungen in Katar, namentlich in Zusammenhang mit der Ausbeutung von Arbeitsmigranten.»
Solche Behauptungen würden immer wieder ins Spiel gebracht, so der Amnesty-Sprecher weiter. «Während des Kalten Krieges warf uns die Sowjetunion vor, vom CIA finanziert zu sein und die USA behaupteten, der KGB mache selbiges.»
Amnesty: «17'000 Tote sind konservativ geschätzt»
Die Zahl von 17'000 Toten in den syrischen Haftanstalten entspreche «einer konservativen Schätzung der ‹Human Rights Data Analysis Group (HRDAG) ›, einer Organisation, die spezialisiert ist auf die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen mittels wissenschaftlicher Datenanalysen», so Gerber weiter. Sie beziehe sich nicht allein auf Saydnaya, sondern auf alle Hafteinrichtungen des Regimes und «dürfte leider noch höher liegen».
Der Amnesty-Sprecher hält auch nicht viel von Assads zögerlicher Andeutung, es sei möglich, dass dem IKRK möglicherweise Zugang zu den Gefängnissen gewährt werde: «Das sind reine Worthülsen.»
Die Berichte über «die unsäglichen Zustände» in den syrischen Hafteinrichtungen – insbesondere denen der Geheimdienste und der Militärpolizei wie Saydnaya und früher Tadmor – seien seit Jahrzehnten notorisch und bekannt, so Gerber: «Wenn dem Präsidenten an der Klärung der Foltervorwürfe oder an der Bekämpfung der notorisch praktizierten Folter interessiert wäre, hätte er dem IKRK und anderen Organisationen längst Zugang gewähren sowie die Freilassung der vielen Gewissensgefangenen anordnen müssen.»
Sendebezug: Aktuelle Berichterstattung der «Rundschau»