Die Spannungen innerhalb der ersten Ampelkoalition auf Bundesebene waren von Anfang an gross. Nun steht ein Bruch der Koalition im Raum. SRF-Deutschland-Korrespondentin Alexandra Gubser erklärt den Stand der Dinge und welchen Einfluss die US-Wahlen haben könnten.
Was ist passiert?
Nach der Posse mit konkurrierenden Wirtschaftsgipfeln von Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner letzte Woche ist am Freitagnachmittag ein wirtschaftspolitisches 18-Seiten-Papier des FDP-Chefs an die Medien durchgestochen worden, das als Scheidungspapier der Ampel angesehen werden kann: Steuern runter, Rente und Bürgergeld kürzen, Klimaziele über Bord werfen. Damit greift Lindner die Koalitionspartner in deren Kernanliegen frontal an, viele Vorschläge sind nicht konsensfähig. Das heizt Spekulationen weiter an, dass die Ampelkoalition vorzeitig zerbrechen könnte.
Wie ist der aktuelle Stand?
In der Koalition brennt sozusagen die Hütte. In der Nacht auf Montag sassen schon Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner beim Zwiegespräch, bis zum Koalitionsausschuss des Kabinetts am Mittwochabend sind mehrere Sechs-Augen-Gespräche anberaumt. Um zu diskutieren, wie die lahmende deutsche Konjunktur wieder in Schwung gebracht werden kann, ob etwas von all den Vorschlägen, die nun auf dem Tisch liegen, gemeinsam umgesetzt werden kann. Dazu sollte nächste Woche im Bundestag der Haushalt 2025 verabschiedet werden. Dort klafft noch eine Lücke im hohen einstelligen Milliardenbereich.
Was ist das Kernproblem der Regierung?
Die Fliehkräfte in der ersten Ampelkoalition auf Bundesebene waren von Anfang an gross. SPD und Grünen wollen investieren und umverteilen, die FDP will einen zurückhaltenden Staat und nicht mehr ausgeben, als eingenommen wird. Der Kitt, der das Konstrukt zusammenhielt, waren 60 Milliarden Euro an Coronakrediten, die in einen Klimafonds umgewidmet wurden. Ein Sondertopf, aus dem Herzensprojekte finanziert werden sollten. Doch das Bundesverfassungsgericht erklärte diesen Buchhaltungstrick Ende 2023 für gesetzeswidrig. Seither hat die Ampel ein massives Schuldenproblem und liegt im Dauerstreit.
Inwiefern hat der Ausgang der US-Wahlen einen Einfluss auf die Gespräche?
Sollte der Republikaner Donald Trump ins Weisse Haus einziehen, könnte das ein Weckruf für die Ampelkoalition sein, eine Motivation, sich nochmals zusammenzureissen. Die USA sind der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Erhöht Trump wie angedroht die Einfuhrzölle um zehn Prozent oder mehr, könnte das der Wirtschaft hier den Rest geben. Auch sicherheitspolitisch stellt Trump ein Risiko dar, weil die Unterstützung für die Ukraine gegen Russland und allgemein die Verteidigungsfähigkeit der Nato auf dem Spiel steht. Mit einer Präsidentin Kamala Harris hätte Deutschland wohl weniger Probleme.
Was würde passieren, wenn die Koalition bricht?
Schmeisst die FDP hin, hätte die Regierung keine Mehrheit mehr. Darauf könnte Kanzler Scholz die Vertrauensfrage stellen. Würde ihm diese von der Mehrheit des Bundestags entzogen, könnte er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen bitten. Diese könnten im März 2025 stattfinden. Scholz könnte aber auch mit einer Minderheitsregierung von SPD und Grünen weitermachen und sich zum regulären Termin Ende September 2025 durchwursteln.