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Sparkurs bei Volkswagen Olaf Scholz, die VW-Krise und kein rettender Golf weit und breit

Als dem VW Käfer die Puste ausging, das Auto heillos veraltet war, kam der Golf. Die ersten Modelle waren qualitativ zwar eine Katastrophe und rosteten schon im Verkaufsraum. Aber der Golf rettete VW. 1974 war das. Die Wolfsburger Firma kämpfte sich seither vom Abgrund zurück an die Weltspitze.

Jetzt bräuchte VW wieder einen Retter – aber der Golf wird es nicht mehr sein. Die Verkäufe stocken, besonders jene von Elektrofahrzeugen. Der Markt in den USA leidet, jener in China auch. Und in Deutschland geht schon länger viel zu wenig. Jetzt zieht das VW-Management die Reissleine. Will Werke in Deutschland schliessen und Zehntausende entlassen.

Motor des deutschen Aufschwungs

Neben den wirtschaftlichen Fakten, dem Jobverlust, dem Management-Versagen, hat die aktuelle Krise bei VW auch eine symbolische Komponente. VW war nach dem Krieg ein Synonym für das Wirtschaftswunder. Auf Hitlers Ruinen knatterte in Wolfsburg der Motor des deutschen Aufschwungs. Im Handwerk war der VW-Bus das Mass aller Dinge, im Privaten der Käfer der erschwingliche bürgerliche Traum.

Als der Verbrennungsmotor noch das Mass aller Dinge war, da lief's bei VW, aller Skandale zum Trotz. Die Marke schien immun gegen alles, die Marke widerstand jedem Sturm, sogar dem Diesel-Skandal. VW trickste Hunderttausende Autos scheinbar sauber, die Gerichtsprozesse gegen die damaligen Chefs laufen immer noch.

Auf Subventionen ausgeruht

Doch den Einstieg in den Elektromarkt verschlief VW lange, die Modelle zu teuer, zu kompliziert zu bedienen, zu wenig Reichweite. Ein Elektro-VW fürs Volk, einer unter 25'000 Euro, soll erst noch kommen – in zwei Jahren vielleicht. Einer der zentralen Auslöser der jetzigen Krise aber ist in Berlin zu suchen. Die Regierung Scholz strich Anfang Jahr die Kaufprämie für Elektroautos – immerhin 9000 Euro pro Stück. Im Windschatten dieser Prämie senkte VW seine Kosten nicht, man ruhte sich in Wolfsburg auf dieser Subvention aus. Der Staat zahlte schliesslich die Rendite. Bis sich Berlin diesen Luxus nicht mehr leisten konnte.

Die Folge: Die Verkäufe brachen ein – just in dem Moment, als China auch den deutschen Markt mit billigen, weil hoch subventionierten Stromern flutete.

Chaos total in der Ampel

Für Kanzler Scholz und seine Regierung kommen die Abbau-Pläne von VW zum dümmsten Zeitpunkt. Für diese Woche kündete Scholz – aber auch seine Minister Habeck und Lindner – verschiedene Wirtschafts-Krisengipfel an. Typisch Ampel: Keiner wusste vom anderen, übers Wochenende gingen die Wogen hoch, die gegenseitigen Beschuldigungen waren laut. Chaos total in der Ampel, einmal mehr.

Jetzt gelten Scholz und vor allem sein Grüner Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck bei vielen als die VW-Killer, als jene, die mitschuldig sind am ganzen Schlamassel. Es wird schwierig bis unmöglich, dieses Image wieder loszuwerden. Eine Katastrophe für Kanzler Scholz, der nun mit diesem schweren Rucksack in den Wahlkampf muss.

Rettung ist nicht in Sicht. Es ist mit der Ampel ein bisschen wie beim Käfer: Am Ende des Zyklus angelangt, keine Puste mehr. Was Scholz jetzt bräuchte, wäre ein Golf. Aus dessen Batterie er neue Energie ziehen könnte. Doch eben: Es sieht schlecht aus.

Stefan Reinhart

Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Stefan Reinhart und Informationen zu seiner Person.

Tagesschau, 28.10.24, 12:45 Uhr

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