Das ist passiert: Der Iran hat kurz vor Mitternacht Ortszeit Ziele in Nordsyrien und Nordirak angegriffen. Die Revolutionsgarde nannte es Vergeltung für den Terroranschlag Anfang des Monats in Kerman mit knapp 100 Toten. Man werde die Angriffe fortsetzen, bis auch «der letzte Tropfen Blut der Märtyrer gerächt» sei, heisst es in einer Erklärung der iranischen Revolutionswächter. Zudem seien die Angriffe eine Reaktion auf den Tod eines hochrangigen Mitglieds der Revolutionswächter im Dezember in Syrien, für den Teheran Israel verantwortlich macht.
Der Angriff im Nordirak: Die iranischen Revolutionswächter feuerten nach eigenen Angaben mehrere ballistische Raketen auf Ziele im Irak und in Syrien ab. Ziel der Attacke in der nordirakischen Stadt Erbil sei eine Spionagezentrale des israelischen Geheimdienstes Mossad gewesen. In der Nähe eines im Bau befindlichen US-Konsulats schlugen Augenzeugen zufolge mehrere Raketen ein. Sicherheitskreisen zufolge kamen dabei vier Zivilisten ums Leben. Die US-Regierung verurteilte den iranischen Raketenangriff auf Erbil.
Der Angriff in Syrien: Dieser galt nach iranischen Angaben der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Zu dem verheerenden Anschlag in der südiranischen Stadt Kerman hatte sich der IS bekannt. Laut ARD-Korrespondentin Karin Senz möchte Teheran mit den Raketenangriffen aber signalisieren, dass man die Drahtzieher in den USA und Israel wähnt. Dieser Meinung ist auch Jérome Drevon, Analyst bei der Denkfabrik International Crisis Group. «Die Anschläge haben in erster Linie den USA gegolten.» Iran wage es allerdings nicht, die USA direkt anzugreifen, also habe die Regierung alternative Ziele gesucht. Die Angriffe haben sich laut den Revolutionswächtern auf ein Hauptquartier der Terrormiliz in Nordsyrien konzentriert. Nachrichtenagenturen, die dem iranischen Regime nahestehen, schreiben, dort habe der IS Terroristen ausgebildet, die die USA dann für Anschläge in den Iran und nach Afghanistan geschickt hätten.
Das Signal an Israel: Nach den iranischen Raketenangriffen wächst international die Sorge über eine Ausweitung des Gaza-Kriegs auf die gesamte Region. Bei dem Beschuss handelte es sich laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna mit einer Strecke von mehr als 1200 Kilometern um die bisher weitreichendste Raketenoperation des Landes. Es wäre in etwa die gleiche Entfernung, die Raketen vom Westen des Iran aus benötigten, um Tel Aviv oder Jerusalem zu erreichen. Dies dürfte auch eine Warnung an Teherans Erzfeind Israel sein: «Beobachter sehen darin ein klares Signal an Israel, dass man auch Städte wie Tel Aviv und Jerusalem treffen könne», berichtet Korrespondentin Senz.
Die Reaktionen: Der irakische Kurdenführer Massud Barzani verurteilte auf der Plattform X, ehemals Twitter, den «feigen Angriff auf die Menschen in der Region Kurdistan aufs Schärfste». Das irakische Aussenministerium rief seinen Botschafter aus dem Iran zurück. Der britische Aussenminister David Cameron bezeichnete die Angriffe als «inakzeptable Verletzung von Iraks Souveränität und territorialer Integrität»:
Auch aus Washington gab es heftige Kritik an Teheran. «Die Vereinigten Staaten verurteilen die Angriffe auf Erbil auf das Schärfste», sagte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller. «Wir wenden uns gegen die rücksichtslosen Raketenangriffe des Iran, die die Stabilität im Irak untergraben.»