Zuerst der tödliche Drohnenanschlag auf den Hamas-Anführer al-Aruri in Libanon vom Dienstag. Tags darauf über 80 Tote durch Explosionen bei einer Gedenkfeier in Iran für den 2020 in Bagdad getöteten General Soleimani. Libanons schiitische Hisbollah und Iran zeigen auf Israel und drohen mit Vergeltung. Ein Blick auf das Eskalationspotenzial mit SRF-Auslandredaktor Philipp Scholkmann.
Hängen die Anschläge in Libanon und Iran zusammen?
Sie sind sehr verschieden. In Beirut ist von einem gezielten Anschlag der Israelis auszugehen. Der Doppelanschlag in der iranischen Stadt Kerman folgt nicht dem Muster früherer israelischer Operationen in Iran. Diese waren, soweit bekannt, ebenfalls gezielt, galten beispielsweise Verantwortlichen des Atomprogramms, aber nie anonymen Menschenmassen. Vielleicht verbindet also nur die sehr angespannte Lage in der Region die Ereignisse. Dazu kommt die Symbolik, war doch General Ghassem Soleimani einst der wichtigste Mann in Irans Militärapparat. Er koordinierte die mit Iran verbündeten Milizen der Region in der «Achse des Widerstands» – von den Hamas über Libanons Hisbollah bis zu den Huthis in Jemen.
Ist Libanons Angst vor einer Eskalation begründet?
Das Risiko ist mit dem Anschlag auf Saleh al-Aruri gestiegen, er war die Nummer zwei der Hamas. Symbolkraft hat auch der Tatort in der südlichen Vorstadt von Beirut, die von der Hisbollah kontrolliert wird. Al-Aruri war also gewissermassen unter dem Schutz der schiitischen Miliz, als er zusammen mit weiteren teils hochrangigen Hamasleuten getötet wurde. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah drohte Israel Vergeltung an, wobei die Drohung unspezifisch blieb. Israel signalisierte, dass es im Grunde keine weitere Eskalation in Libanon sucht. Doch der Kleinkrieg an der Grenze zwischen Hisbollah und Israel geht nach fast drei Monaten weiter und wird intensiver.
Was ist die Rolle der Huthi in Jemen?
Die von Iran unterstützen Huthi-Rebellen in Jemen gehören ebenfalls zur iranischen «Achse des Widerstands» in der Region. Mit Anschlägen auf Transportschiffe im Roten Meer haben sie es geschafft, dass internationale Reedereien ihre Tanker und Transportschiffe aus Angst vor Störmanövern teure Umwege fahren lassen. Die USA und einige Verbündete sind mit Kriegsschiffen vor Ort und haben wiederholt das Feuer eröffnet, um Angriffe abzuwehren. Neuerdings drohen sie den Huthis auch Konsequenzen an. Welche, bleibt offen. Vorstellbar ist, dass sie künftig die Raketenstellungen der Huthis innerhalb Jemens ins Visier nehmen. Offenbar wollen die USA aber behutsam vorgehen und möglichst keine weitere Eskalation riskieren.
Ist alles nur Säbelrasseln?
Die regionalen Spannungen seit dem Massaker der Hamas in Israel und vor dem Hintergrund des verheerenden Gaza-Kriegs sind real. Und doch bleibt der Eindruck, dass weiterhin keiner der entscheidenden Akteure ein Interesse hat, den Konflikt zum regionalen Krieg auszuweiten. Mit den zunehmenden Spannungen wird aber das Risiko von Fehlkalkulationen immer grösser.