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Annäherung mit der Türkei Ist der bewaffnete Kampf der PKK in der Türkei Geschichte?

Verschanzt im nordirakischen Kandil-Gebirge ruft die PKK-Führung einseitig eine Waffenruhe aus. Gültig ab sofort und solange auch die türkische Armee die Waffen schweigen lässt. Die PKK spricht selbst von einem neuen historischen Prozess, der in «Kurdistan» und im gesamten Mittleren Osten begonnen habe.

Markiert sie den Anfang vom Ende der kurdischen Untergrundorganisation? Es könnte sein. 

Öcalan will mehr als Waffenruhe

Abdullah Öcalan, der historische Anführer der verbotenen Organisation, war in seinem Aufruf am Donnerstag noch einen Schritt weitergegangen. Er hatte «seine» PKK aufgefordert, die Waffen nicht nur ruhen zu lassen, sondern niederzulegen und sich selbst aufzulösen.

Diese Forderung war im kurdischen Südosten der Türkei teils mit Fassungslosigkeit, teils mit Jubel aufgenommen worden. Im Statement des Exekutivkomitees heisst es nun, man sei mit Öcalans Aufruf insgesamt einverstanden und wolle ihn umsetzen – vorausgesetzt Öcalan selbst, der seit 1999 in Isolationshaft sitzt, könne persönlich einen Kongress zur Auflösung der PKK leiten. Mit anderen Worten: Die PKK will von der türkischen Regierung Sicherheiten.

Welche Garantien sie herausholen kann, für Öcalan, ihre Kämpfer, bleibt offen. Der Aufruf des PKK-Gründers war insgesamt sehr wortkarg, was Gegenleistungen betrifft. Öcalan sprach vage von einem demokratischen Rahmen, der nötig sei für die Gleichstellung der kurdischen Minderheit, die einen Fünftel der Bevölkerung der Türkei ausmacht.

PKK: Von «Kurdistan» bis Auflösung?

Die Ankündigung der PKK-Führung unterstreicht, wie sehr die PKK aus einer Position der Schwäche agiert. Vor vierzig Jahren hatte sie ihren blutigen Kampf gegen die türkische Staatsmacht begonnen; mit dem Ziel eines unabhängigen kurdischen Staats. Vor dreissig Jahren sprach sie noch von kurdischer Autonomie. Seit heute von der eigenen Auflösung.

Die tektonischen Verschiebungen in der Region spielen eine Rolle. Die türkische Armee hat die PKK in den letzten Jahren in ihre Rückzugsgebiete in Syrien und Nordirak abgedrängt.

In Syrien ist nach dem Sturz Assads ein Regime an die Macht gekommen, das seinen Erfolg wesentlich dem türkischen Sicherheitsapparat verdankt. Das setzt auch die kurdischen Milizen entlang der türkischen Grenze massiv unter Druck. Völlig unklar, was von ihrer kurdischen Autonomiezone in Syrien unter den neuen Verhältnissen übrigbleibt. 

Gleichzeitig ging bei den Kurdinnen und Kurden in der Türkei der Rückhalt für den bewaffneten Kampf zurück.

Erdogans persönliches Kalkül

Präsident Erdogan ist der Gewinner dieser Entwicklungen. Möglich, dass er die Chance gekommen sieht, um nun auch in der Türkei eine «Friedensdividende» einzufahren. Dass er unter demokratischem Ausgleich das Gleiche versteht wie Öcalan, wird von vielen bezweifelt.

Persönliches Kalkül dürfte mitspielen: Wenn Erdogan eine Verfassungsänderung durchbringen will für eine weitere Amtszeit, wird er auf kurdische Stimmen angewiesen sein. Auch das dürfte das Tauwetter begünstigt haben.

Philipp Scholkmann

Auslandredaktor

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Auslandredaktor Philipp Scholkmann war langjähriger Nahost-Korrespondent von Radio SRF. Vor seiner Tätigkeit im Nahen Osten war er Korrespondent in Paris und Moderator beim «Echo der Zeit».

Echo der Zeit, 01.03.2025, 18:00 Uhr

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