Worum geht es? Das norwegische Bezirksgericht Telemark prüft ab Dienstag, ob der verurteilte Massenmörder Anders Behring Breivik nach Ablauf der Mindestdauer seiner Strafe auf Bewährung freigelassen werden kann. Breivik hat am 22. Juli 2011 bei den rechtsextremen Terroranschlägen in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen getötet. Acht von ihnen kamen bei einem Bombenanschlag im Zentrum Oslos ums Leben, 69 durch Schüsse auf der Ferieninsel Utøya.
Warum kommt es zu diesem Prozess? Es ist undenkbar, dass sich das Gericht für eine frühzeitige Haftentlassung ausspricht. Breivik wurde zur Höchststrafe verurteilt. Das sind 21 Jahre Haft. Er soll auch auf unbestimmte Zeit verwahrt werden. Gemäss dem norwegischen Justizsystem können Personen mit dieser Strafe frühestens nach 10 Jahren einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung stellen. Er hat also das Recht auf den Prozess.
Ist es eine Art Pro-forma-Prozess? Was den Ausgang des Prozesses betrifft: ja. Für Norwegen sei es aber wichtig, dass der Prozess stattfinde, sagt Bruno Kaufmann, SRF-Nordeuropakorrespondent. Breivik wollte mit seinen Attentaten die Demokratie untergraben. Das Land will ihm das Gegenteil gegenüberstellen, indem es ihm das Recht des Prozesses zuspricht und sagt: Wir sind eine Demokratie. Laut Kaufmann gibt es zudem fast keine Stimme, die dem Massenmörder das Recht absprechen will.
Wo zeigt sich die Absicht der Stärkung des Rechtsstaats? Gemäss dem norwegischen Justizsystem kann Breivik nun alljährlich einen Antrag auf eine frühzeitige Haftentlassung stellen. Norwegen nimmt das in Kauf. «Das ist wirklich der Rechtsstaat Norwegen, der bewahrt und gestärkt werden soll», erklärt Bruno Kaufmann. Das habe man von Anfang an durchgezogen. Bereits bei der Verurteilung vor zehn Jahren gab es Stimmen, die auf eine psychische Erkrankung des Attentäters hinweisen wollten. «Im Berufungsprozess ging es auch um seine Menschenrechte, um die Isolationshaft.»
Wie will die Justiz verhindern, dass Breivik eine Plattform erhält? Am Dienstagmittag darf er in einer freien Erklärung erklären, wieso er eine Freilassung für gerechtfertigt hält. «Er bekommt damit die Chance einer Plattform», so der Nordeuropakorrespondent. Das Gericht wollte, dass diese Erklärung nicht gesendet wird. «Man hat sich darauf geeinigt, dass, wenn der Attentäter von der Sache seiner Freilassung wegkommt, die Übertragung sofort unterbrochen wird.»