In Spanien steigen die Infektionsfälle explosionsartig an – fast 14'000 Menschen haben sich mit dem Coronavirus angesteckt, über 550 Menschen sind gestorben. Spanien hat in Europa, neben Italien, die meisten Fälle. Auffallend: Fast die Hälfte aller Fälle in Spanien werden aus Madrid gemeldet. Laut Journalist Thomas Urban sind die Strassen dort beinahe menschenleer.
SRF News: Wie erleben Sie die Situation derzeit in Madrid?
Thomas Urban: Es ist nicht so, dass die ganze Stadt stillsteht. Der öffentliche Nahverkehr funktioniert noch, auch wenn er stark ausgedünnt ist. Denn es gibt ja Leute, die weiter arbeiten müssen, um die Infrastruktur aufrechtzuerhalten, die in Lebensmittelgeschäften, Apotheken und so weiter arbeiten. Die meisten aber halten ganz offenkundig die Ausgangssperre ein. Man sieht kaum Leute auf der Strasse, nur ganz wenige Autos. Man geht diszipliniert miteinander um. Vor dem Supermarkt steht man Schlange und hält immer schön zwei Meter Abstand, auch an den Kassen.
Wie sieht es fernab Madrids aus? Sind die Spanier überall diszipliniert?
Ich habe keine anderen Berichte gesehen und auch von Bekannten nichts anderes gehört. Das soziale Leben ist weitgehend zum Erliegen gekommen, die Leute fürchten sich auch. Denn in Spanien gab es in den letzten Tagen geradezu eine Explosion der Zahlen, was die Infizierten und auch die Todesfälle angeht. Man spürt schon diese Nervosität bei den Menschen. Das führt dazu, dass die meisten sich an diese Regeln halten.
Gibt es eine Erklärung dafür, warum Spanien so viele Coronafälle hat?
Es gibt eine Erklärung, die die konservative Opposition im Parlament anführt. Die Regierung habe einen Kardinalfehler begangen, als sie die Kundgebungen zum Internationalen Frauentag am 8. März nicht verbot. Dies, obwohl die oberste Gesundheitsbehörde das dringend empfohlen hatte.
Mehrere Mitglieder des Kabinetts, Ministerinnen und Staatssekretärinnen, haben sich am 8. März offenkundig angesteckt.
Wir haben in Spanien eine Linksregierung und die Förderung von Frauen ist ein Kernstück des Regierungsprogramms. Und da wollte man sich diesen Feiertag wohl nicht nehmen lassen. Dafür ist die Regierung nun unter Beschuss geraten. Ob das wirklich einer der Hauptgründe ist, wissen wir nicht. Aber mehrere Mitglieder des Kabinetts, Ministerinnen und Staatssekretärinnen, haben sich am 8. März offenkundig angesteckt.
Spanien hat ein Corona-Problem und ein Problem mit der Coruña, der Krone. König Felipe hat seinem Vater Juan Carlos die Rente gestrichen. Hat das Volk schon eine Idee, wer dieses Geld bekommen könnte?
Ja. Es gibt den Vorschlag, dass dieses Geld angesichts der grossen Krise in das Gesundheitswesen fliessen sollte. Ob das rechtlich geht, das wissen wir nicht. Diese zweite Coruña-Krise rüttelt natürlich an den Grundfesten der Monarchie und gibt allen Antimonarchisten richtig Wasser auf die Mühlen.
Das Gespräch führte Danièle Hubacher.