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Arbeitslosenhilfe in den USA «Diese 600 Dollar pro Woche waren eine absolute Notfallmassnahme»

In den USA läuft Ende Monat ein Milliarden-Hilfsprogramm aus, dank dem Amerikanerinnen und Amerikaner zusätzliches Arbeitslosengeld erhalten haben. Seit April waren es 600 Dollar pro Woche. Viele der 17 Millionen Arbeitslosen haben an diesem Wochenende die allerletzte Zahlung erhalten. Bisher haben sich die Regierung von Präsident Donald Trump und das Parlament nicht darauf einigen können, die Extra-Zahlungen weiterzuführen.

Jens Korte

Freier Börsenjournalist

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Jens Korte berichtet für das SRF von der Wall Street in New York. Bereits seit 1999 arbeitet er dort für verschiedene Medien. Im Jahr 2003 gründete er die Firma nygp – new york german press. Korte hat eine Lehre zum Industriekaufmann abgeschlossen und ein Studium der Volkswirtschaft in Berlin absolviert.

SRF News: Was haben diese Extra-Zahlungen an die Arbeitslosen unter dem Strich gebracht?

Jens Korte: Amerika hat kein funktionierendes Sozialsystem, wie wir das zum Beispiel aus der Schweiz oder Deutschland kennen. Insofern waren diese 600 Dollar pro Woche eine absolute Notfallmassnahme. Es ist nicht ein Stimulus-Paket gewesen, das die Amerikaner genutzt hätten, um essen zu gehen oder kräftig einzukaufen.

Die Extra-Zahlungen haben die US-Wirtschaft also nicht wirklich gestützt?

Nein, es war nicht der grosse Schub für das Wirtschaftswachstum in den USA. Es gab ja noch ein anderes Paket, diese Einmalzahlungen von Washington für amerikanische Steuerzahler in Höhe von 1200 Dollar. Dieses Geld ist dann schon eher auch in den Konsum geflossen.

Das Geld wird für das Elementarste ausgegeben, für die Mieten oder um den Kühlschrank zu füllen.

Viele Amerikanerinnen und Amerikaner leben von Paycheck zu Paycheck. Und wenn jetzt die Lohnzahlungen ausbleiben, wird das Geld für das Elementarste ausgegeben, zum Beispiel für die Mieten oder um den Kühlschrank zu füllen. Oder auch, um die Raten für das eigene Fahrzeug zu finanzieren.

Man hört, es soll Amerikaner geben, die es vorgezogen haben, arbeitslos zu bleiben – weil das Extrageld, das sie erhalten haben, höher ist als das, was sie eigentlich verdient hätten. Wie kann das sein?

Das ist eine grosse Kontroverse. Wenn Sie arbeitslos sind und diese 600 Dollar pro Woche – die übrigens nicht alle erhalten haben – bekommen haben, dann kommt das obendrauf auf im Schnitt 400 Dollar pro Woche, die Arbeitslose ebenfalls bekommen. Das macht 4000 Dollar im Monat. Etwa in der Gastronomie verdienen die wenigsten auch nur annähernd so viel. Deshalb gab es von Restaurantbesitzern auch viel Kritik an diesem Programm.

Ohne Job keine Krankenversicherung

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Zurzeit beziehen rund 30 Millionen Amerikaner auf die eine oder andere Art Arbeitslosen-Unterstützung. Ein verborgenes Problem dabei ist aber, dass in den USA viele Krankenversicherungen an den Arbeitgeber gebunden sind. «Das heisst, wenn die Leute jetzt längerfristig keinen Job haben, verlieren sie auch ihre Krankenversicherung», erklärt Korte.

«Natürlich gibt es auch hier ein gewisses Sozialsystem. Wenn man unter die Armutsgrenze fällt, wird man auch betreut.» Gerade für viele Leute aus dem mittelständischen Bereich, die ihren Job und damit die Krankenversicherung verlieren, gehe es ans Eingemachte. «Dann müssen sie ans Ersparte gehen, an das College-Geld der Kinder, um für die Gesundheitskosten aufzukommen.

Aber auf der anderen Seite muss man sagen: Viele Leute haben in der Tat Probleme, die Miete zu bezahlen. Und wenn jetzt diese Gelder, sagen wir mal, von 600 Dollar auf 100 Dollar pro Woche reduziert werden sollten, da werden schlicht und einfach viele Leute die Mieten, die Raten für das Auto nicht mehr finanzieren können.

Viele Arbeitslose haben am Wochenende die allerletzte Extra-Zahlung erhalten. Was passiert jetzt mit diesen Menschen?

Wir haben hier ein junges Ehepaar als Nachbarn. Sie ist Musikerin, hat derzeit gar kein Einkommen. Er arbeitet in der Werbebranche, sein Gehalt wurde insgesamt um 60 Prozent gekürzt. Er sagte aber, zum Glück habe er noch bis Jahresende die Zusicherung, seine Krankenversicherung zu haben. Die beiden sind zum Beispiel nicht in der Lage, die volle Miete zu zahlen. Deshalb haben sie sich mit dem Vermieter geeinigt, nur noch die halbe Miete zu bezahlen. Das sind ganz konkrete Beispiele, was tausendfach, wenn nicht sogar millionenfach in den nächsten Wochen und Monaten auf das Land zukommen könnte.

Das Gespräch führte Silvan Zemp.

SRF 4 News, 27.7.2020, 7.23 Uhr ; 

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