Jedes Jahr machen sich tausende Kenianerinnen auf nach Saudi-Arabien, um dort als Hausangestellte zu arbeiten. Weil die Frauen in diesen Positionen im Nahen Osten immer wieder von Ausbeutung betroffen sind, hat die kenianische Regierung einen obligatorischen Vorbereitungskurs ins Leben gerufen.
Es ist Dienstagmorgen um neun Uhr, als Kursleiterin Gladys vor zwei Dutzend Frauen die «Laundry»-Klasse eröffnet. Darin wird alles rund ums Waschen gelehrt: Sortieren, Hosentaschen leeren, die Symbole auf der Etikette lesen und verstehen. Nach rund zwanzig Minuten Theorie kommt die Praxis. Eimer werden mit Wasser gefüllt, Handwäsche ist angesagt.
Später wird die Waschmaschine und das Bügeleisen erklärt. «Solche Geräte habe ich noch nie gesehen. Ich bin froh, dass ich nun weiss, wie sie zu bedienen sind», sagt eine Kursteilnehmerin.
Corona-Pandemie fördert Arbeitsmigration
Rund 70 Frauen wohnen derzeit während eines Monats im Centre for Domestic Training and Development in Nairobi, um den sogenannten «Homecare Management»-Kurs zu absolvieren. Bezahlt wird der Kurs von den zukünftigen Arbeitgebern.
Im Jahr vor der Corona-Pandemie haben mehr als 30'000 Kenianerinnen als Haushaltshilfen in Saudi-Arabien gearbeitet. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie lassen nun erneut Zehntausende in den Nahen Osten strömen.
So wie die 23-jährige Ruth Joy. «Es war nie mein Ziel gewesen, Kenia zu verlassen, ich hatte mein Geschäft hier. Aber wegen der Corona-Pandemie habe ich nun keine andere Wahl mehr.» Sie habe einen Sohn und einen jüngeren Bruder, den sie unterstützen müsse.
Auch die Schwester arbeitet bereits seit mehreren Jahren in Saudi-Arabien. Deswegen entschied sich die junge Frau zur Reise in den fernen Nahen Osten.
Teacher Duncan sorgt dafür, möglichst gut gewappnet zu sein in der fremden Kultur. Er leitet die sogenannte «Pre-Departure»-Klasse.
«Was ist ein Arbeitsvertrag?», fragt der Lehrer. «Lasst euch von niemandem überreden, etwas zu unterschreiben!» Die Arbeitssituation von Hausangestellten im Nahen Osten sorgt immer wieder für Schlagzeilen in Kenia.
Kenianerinnen sollen ihre Rechte kennen
Oft werden die Frauen ausgebeutet, arbeiten fast Tag und Nacht, werden nicht bezahlt und oft auch gedemütigt oder sexuell belästigt. Meist wird ihnen der Pass weggenommen, sie dürfen das Haus nicht verlassen und sind ihren Arbeitgebern gänzlich ausgeliefert. Der Kurs soll den Frauen helfen, ihre Rechte zu kennen.
Das sogenannte «Kafala»-System regelt in vielen Ländern des Nahen Ostens die Arbeitsmigration, so auch in Saudi-Arabien. Ein einheimischer Bürge, ein sogenannter Sponsor, bezahlt die Reise, die medizinischen Checks und den Ausbildungskurs der Haushaltshilfen.
Im Gegenzug müssen die Frauen eine bestimmte Anzahl Jahre für den Bürgen arbeiten. Der Aufenthaltsstatus der Migrantinnen ist somit an den Sponsor gebunden. Seit Jahren bemängeln Menschenrechtsgruppen das «Kafala»-System und fordern Reformen.
Ins Ausland für eine bessere Zukunft
Die letzten Klassen im Vorbereitungskurs an jenem Morgen sind der Kinder- und Altenbetreuung gewidmet. Mit Puppen in einem komplett eingerichteten Kinder- und Krankenzimmer üben die Kenianerinnen. Lilian Malau ist bestens vertraut damit, sie hat selber zwei Kinder.
Und für diese nimmt sie den Arbeitsaufenthalt in Saudi-Arabien auch auf sich. Ihre Kinder sollen nicht Mais verkaufen auf dem Markt, wie sie es selbst bisher tat. «Ich komme aus einer sehr armen Familie. Aber ich werde nicht arm bleiben.»
Kenianerinnen und Kenianer schickten im letzten Jahr mehr als 3.3 Milliarden US-Dollar aus dem Ausland nach Hause. Vor allem aus den USA und Saudi-Arabien. Geld für die Kinder, die meist bei den Verwandten in Kenia bleiben – während Jahren. So sieht es auch Lilian Malau vor.
Für heute ist die Klasse fertig. Noch eine Woche, dann ist die Ausbildung abgeschlossen. Und die Frauen steigen ins Flugzeug nach Saudi-Arabien, mit ihren Wünschen und Träumen für eine bessere Zukunft.