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Atomabkommen am Abgrund Trump hat ein klassisches Eigentor geschossen

Am Ende war es keine Überraschung mehr: US-Präsident Donald Trump kehrt dem Atomabkommen mit dem Iran den Rücken und will neue, scharfe Sanktionen. Damit ist die Vereinbarung zwar noch nicht tot, aber sie hängt bloss noch an einem seidenen Faden. Die Risiken von Trumps Entscheidung sind gewaltig.

So schnell kann es gehen: 2015 in Wien als «historisches Abkommen» gefeiert, ist dieses drei Jahre später tatsächlich beinahe schon Geschichte. Zwar wollen die übrigen sechs Vertragspartner, der Iran, Frankreich, Deutschland, Grossbritannien, Russland und China an dem Vertrag festhalten. Das machten sie längst klar.

Tatsache ist auch, dass der Vertrag auch eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates darstellt – und aus einer solchen können die USA ohnehin nicht einfach austreten. Sie können sie jedoch missachten. Und falls die Iraner als Antwort auf die Entscheidung von Trump ihr Atomprogramm tatsächlich wieder hochfahren, dann sind der Vertrag und zugleich die UNO-Resolution ohnehin Makulatur.

Kopfstoss für Teheran

In einem Punkt haben Trump und jene US-Republikaner, die ihn in dieser Frage unterstützen, nicht unrecht: Das Atomabkommen mit dem Iran hat gravierende Schwächen. Zum einen laufen manche Einschränkungen bereits 2025, andere 2030 aus – danach kann Teheran sein militärisches Atomprogramm fortsetzen.

Zum andern verbietet die Vereinbarung dem Iran nicht die Entwicklung von Raketen, die mit atomaren Gefechtsköpfen bestückt werden könnten. In beiden Punkten hätte man versuchen müssen, zusätzliche Abkommen zu schliessen. Ob der Iran dazu bereit gewesen wäre, ist natürlich höchst fraglich.

Ganz bestimmt aber wird sich die iranische Führung weigern, über ein völlig neues Atomabkommen zu verhandeln, nachdem Washington mutwillig das bestehende in der Luft zerrissen hat.

Trumps fehlende Strategie

Ohnehin ist völlig unklar, wie es nun weitergehen soll. Donald Trump hat zwar etwas entschieden, aber eine Strategie für danach, die hat er nicht. Nicht mal in Ansätzen. Sollte er davon träumen, ein wiederbelebtes militärisches Atomprogramm des Iran von den US-Streitkräften zerstören zu lassen, dann ist das eben ein Traum. Das wissen die US-Generäle. Und übrigens auch die israelischen Militärs und Geheimdienstler.

Dazu kommt: In den drei Jahren seit der Unterzeichnung des Abkommens ist der Iran nicht schwächer geworden, sondern stärker. Und schliesslich: Eine ähnlich geschlossene Sanktionsfront wie jene, die Teheran letztlich zum Einlenken zwang, samt den Europäern, Russland und China, wird es wohl nie mehr geben, jedenfalls für viele Jahre nicht.

Lange Verliererliste

Natürlich gibt es einzelne, die sich freuen über Trumps Entscheidung: Ein Teil der US-Republikaner. Oder die Regierung von Benjamin Netanyahu in Israel. Und vor allem die Hardliner in Teheran, deren «Geschäftsmodell» darauf basiert, dass die USA und der Westen insgesamt als Feindbild dargestellt werden können.

Hauptsächlich aber gibt es Verlierer. Deren Liste ist lang: Allen voran die USA – insofern hat Trump ein klassisches Eigentor geschossen. Die Sicherheit der Amerikaner wird leiden, weil ein Ende des Abkommens die Welt noch unsicherer macht. Verlierer sind auch gemässigte Kräfte im Iran. Oder die Israelis, die sich nun zu Recht fürchten vor Angriffen des Irans von dessen neuen Militärstützpunkten in Syrien aus.

Unter Trumps Muskelspiel dürften auch die Syrer leiden; der ohnehin vertrackte Konflikt wird noch schwerer lösbar. Und Schaden nimmt auch das transatlantische Verhältnis, weil nun die Europäer und die Amerikaner in einer zentralen weltpolitischen Frage entgegengesetzte Positionen vertreten – kein gutes Omen für den bevorstehenden G7- und den Nato-Gipfel.

Fragender Blick nach Nordkorea

Und schliesslich fragt sich: Was heisst das nun für das geplante Gipfeltreffen zwischen Trump und Kim Jong-un? Wird der Nordkoreaner noch einwilligen in Atomverhandlungen mit den unzuverlässigen Amerikanern? Oder bloss in Verhandlungen und ein Abkommen, an das er sich selber auch nicht zu halten gedenkt?

Die weltweite Verbreitung von Atombomben dürfte nun neuen Schub erhalten. Nachdem ein Abkommen, das immerhin ein Land, den Iran, drei Jahre lang ferngehalten hat vom Bombenbau, zu platzen droht.

Es wird Tage, wenn nicht Wochen dauern, bevor man klarer sieht, wie es nun weitergeht. Doch bereits jetzt ist mit Händen zu greifen: Was immer jetzt kommt, es ist auf jeden Fall schlechter als das, was man hatte.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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