Die USA, Europa, aber auch Russland und China möchten rasch zurückkehren zum Atomabkommen mit dem Iran. Auf dieser Seite sind also die Voraussetzungen gut für eine Rettung des historischen Vertrags von 2015. Doch seit dem Machtwechsel in Teheran scheint das iranische Interesse am Atomabkommen nurmehr minim. Es sieht daher schlecht aus für die Verhandlungen, die nun in Wien wieder aufgenommen wurden.
Keine direkten Gespräche zwischen Iran und USA
In der Politik zählt auch das Atmosphärische. Deshalb ist es ein ausgesprochen schlechtes Zeichen, dass die Iraner erneut nicht bereit sind, Auge in Auge mit den Amerikanern zu sprechen. So logiert nun in Wien die US-Delegation in einem Hotel, während die übrigen Unterzeichnerstaaten Frankreich, Grossbritannien, Deutschland, Russland und China mit dem Iran in einem anderen Hotel verhandeln. Das iranische Argument: Die Amerikaner seien unter Präsident Donald Trump 2018 aus dem Abkommen ausgetreten und somit gar keine Vertragspartner mehr. Das stimmt. Dennoch bringt die Verweigerung von Direktgesprächen zusätzlich Sand ins Getriebe.
Offenkundig hat der neue Hardliner-Staatspräsident Ebrahim Raisi kaum Interesse an der Wiederherstellung des Abkommens. Deshalb gab es seit Juni keinerlei Verhandlungen mehr. Deshalb verletzt der Iran immer gravierender die Bestimmungen des Atomabkommens. Und deshalb stellt Teheran gleich drei Vorbedingungen für die aktuellen Verhandlungen. Und sagt damit: Entweder eine Lösung nach unserem Gusto – oder keine.
Iran mit vielen Bedingungen – USA versöhnlich
Die erste Vorbedingung: Ein Kotau der Regierung Biden. Sie müsse sich entschuldigen dafür, dass die USA unter Trump das Atomabkommen einseitig aufkündigten. Die zweite: Sämtliche Sanktionen seien aufzuheben, bevor Teheran irgendein Zugeständnis bei seinem Atomprogramm macht. Drittens: Washington soll garantieren, dass auch eine künftige US-Regierung an dem Abkommen festhält.
Im Vergleich dazu treten die Amerikaner derzeit versöhnlich auf. Sie haben ihre Vorbedingung fallenlassen, gleichzeitig mit der Rückkehr zum Atomabkommen gleich auch eine Beschränkung des iranischen Raketenprogramms zu erwirken.
Noch im Frühjahr gab es bei den Wiener Verhandlungen eine Annäherung: Der damalige Präsident Hassan Rohani setzte sich dafür ein. Selbst zum Missfallen des mächtigsten Mannes im Land, des stramm antiamerikanischen geistlichen Führers Ali Chamenei. Seit der Wahl von Ebrahim Raisi engagiert sich niemand mehr an der Staatsspitze für das Abkommen. Zwar wäre auch Raisi die Sanktionen gerne los. Aber ohne dafür einen Preis zu bezahlen. Das zeigt auch die iranische Bockigkeit, Transparenz beim Atomprogramm zu ermöglichen, indem der UNO-Atombehörde IAEA wieder freier Zugang gewährt wird.
Lauter düstere Perspektiven
Die Chancen für eine Einigung in Wien sind also nach Ansicht der meisten Beobachter gering. Offen ist, ob wieder ein echter Verhandlungsprozess in Gang kommt oder ob die aktuellen Gespräche bereits in den nächsten Tagen scheitern.
Keine Rückkehr zum Atomabkommen bedeutet indes nicht: Es bleibt beim Status Quo. Ein Verhandlungsabbruch hätte gravierende Folgen: Eine immer wahrscheinlichere iranische Atombombe. Entsprechend schärfere Sanktionen gegen den Iran. Ein noch aggressiveres Teheran als Rache für die verschärften Sanktionen. Und eine erneute Zuspitzung des Konflikts zwischen den Golfstaaten und dem Iran. Also lauter düstere Perspektiven.