Rund eine Viertelstunde trat US-Präsident Donald Trump am Montag vor die Medien im Weissen Haus. Kernbotschaft eines wortreichen Auftritts, indem er seine Corona-Politik verteidigte und den Blick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen richtete: Der Urnengang im November droht zur Farce zu werden.
Hintergrund des präsidialen Rundumschlags: Aufgrund der fortschreitenden Corona-Epidemie in den USA betrachten diverse Bundesstaaten die Briefwahl als Möglichkeit, die Präsidentschaftswahlen sicher durchzuführen.
Trump wehrt sich derzeit mit einer Armada an Argumenten gegen das Vorhaben – und sinnierte zuletzt gar darüber, die Wahlen ganz einfach zu verschieben. Denn sonst drohe die «ungenauste und betrügerischste Wahl» der amerikanischen Geschichte.
Nun warnt Trump davor, dass die amerikanische Post der Aufgabe nicht gewachsen sei. «Wie soll die Post das hinkriegen?», fragte er die Journalisten in Washington rhetorisch. Und kündigte an, den Bundesstaat Nevada wegen eines Gesetzes zu verklagen, das ermöglicht, vor den Wahlen Stimmzettel an alle Wähler zu verschicken.
Kritiker werfen Trump vor, dass er bereits für den Fall einer Wahlniederlage vorsorgen will, indem er die Rechtsmässigkeit des Urnengangs in Zweifel zieht. Allerdings: Die administrativen Voraussetzungen für nationale Briefwahlen sind tatsächlich nicht optimal.
Logistischer Supergau?
«Briefwahlen haben in den USA keine Tradition», erklärt die Politikwissenschaftlerin Christiane Lemke von der Leibniz-Universität in Hannover. Insofern sei die Kritik nicht komplett aus der Luft gegriffen. «Hinzu kommt die Befürchtung, dass die Post nicht rechtzeitig ausgeliefert wird.»
Diesbezüglich habe es schon bei den Vorwahlen in den letzten Monaten Probleme gegeben – etwa in der Metropole New York, wo die Wahlunterlagen laut Medienberichten zu spät eintrafen oder wegen falscher Frankierung für ungültig erklärt wurden.
Bei Trump und den Republikanern grassieren noch ganz andere Ängste in Bezug auf Briefwahlen, erklärt Lemke: «Sie fürchten, dass ethnische Minderheiten wie Afroamerikaner oder Menschen mit weniger Ressourcen, die etwa kein Auto besitzen, um zum Wahllokal zu fahren, vermehrt wählen könnten.»
Tatsächlich belege die empirische Erfahrung, dass eine höhere Wahlbeteiligung den Demokraten nützen würde. Trump warnte zuletzt auch wiederholt vor Betrug durch die Briefwahl. «Hier wird mit Nebelkerzen um sich geworfen», sagt die Politologin zu derartigen Verlautbarungen.
Wird Trump eine Niederlage akzeptieren?
In den Corona-geplagten USA gibt es ganz andere Problemstellungen: Ebbt die Epidemie nicht ab, dürfte es Wählerinnen und Wähler geben, die sich dem Gedränge vor den Urnen nicht aussetzen wollen. Auch die Rekrutierung von Wahlhelfern könnte erschwert werden. «Deswegen gab es schon bei den Vorwahlen weniger Wahllokale und lange Schlangen», so Lemke. Was wiederum die Ansteckungsgefahr erhöht.
Für die Politologin ist deshalb klar: «Aus meiner Sicht wäre die Briefwahl die vernünftigste Art zu wählen im November.» Allerdings wertet auch sie Trumps scharfe Rhetorik so, dass er – gerade bei einer knappen Wahlniederlage im Herbst – das Ergebnis auf juristischem Weg anfechten würde. «Er ist ohnehin ein sehr klagefreudiger Präsident.» Ein abgewählter Trump dürfte sich also kaum auf leisen Sohlen verabschieden.