- Bei Schüssen nahe einer Synagoge im ostdeutschen Halle (Saale) sind zwei Menschen getötet worden. Mindestens zwei weitere wurden verletzt.
- Eine Person ist festgenommen worden, es besteht laut Polizei keine Gefahr mehr für die Bevölkerung.
- Zunächst waren die Ermittler von mehreren Angreifern ausgegangen – inzwischen deutet alles auf einen Einzeltäter hin.
- Auch Innenminister Horst Seehofer spricht von einem «antisemitischen Angriff».
«Es gibt ausreichend Anhaltspunkte für einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund», ergänzte CSU-Politiker Seehofer in Berlin.
«Das ist ein abscheulicher Angriff auf unser friedliches Zusammenleben.»
Er will sich am Donnerstag gemeinsam mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, in Halle über den Stand der Erkenntnisse informieren und mit Vertretern der jüdischen Gemeinde sprechen. «Ich bin über diese Tat zutiefst bestürzt und verurteile sie auf das Schärfste», erklärte Seehofer. «Das ist ein abscheulicher Angriff auf unser friedliches Zusammenleben.»
Sprengsätze vor die Synagoge abgelegt
Der Täter hatte am Mittag in der ostdeutschen Stadt zwei Menschen erschossen. Die Leiche einer Frau lag nahe einer Synagoge, ein Mann wurde in oder an einem Döner-Imbiss getötet. Ausserdem hatte der Täter selbstgebastelte Sprengsätze vor der Synagoge abgelegt und versucht, in das jüdische Gotteshaus zu gelangen.
Zum Zeitpunkt der tödlichen Schüsse war die Synagoge voll besetzt. Das sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorotzki dem «Spiegel». Etwa 70 Menschen feierten den jüdischen Feiertag Yom Kippur.
«Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschiessen», sagte Privorozki. Die Sicherungsvorkehrungen am Eingang hätten aber «dem Angriff standgehalten». Ausserdem hätten der oder die Täter versucht, das Tor des benachbarten jüdischen Friedhofs aufzuschiessen, sagte Privorozki.
Schüsse auch in Landsberg
Neben den Schüssen in Halle hat es auch Schüsse im rund 15 Kilometer entfernten Landsberg gegeben. Das bestätigte eine Sprecherin der Polizei Halle der Deutschen Presse-Agentur. Zu den näheren Umständen des Vorfalls in dem östlich von Halle gelegene Ort wollte sie zunächst nichts sagen.
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt wegen Mordes von besonderer Bedeutung.
Schweigeminute im Europaparlament
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat aufgrund der Ereignisse einen Besuch bei der EU in Brüssel abgebrochen. «Ich bin entsetzt über diese verabscheuungswürdige Tat», hiess es in einer Mitteilung.
Der deutsche Aussenminister Heiko Maas verurteilt die Tat scharf: «Dass am Versöhnungsfest #YomKippur auf eine Synagoge geschossen wird, trifft uns ins Herz. Wir alle müssen gegen den Antisemitismus in unserem Land vorgehen.»
Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) unterbricht wegen der Tat in Halle seinen Urlaub und kehrt nach Magdeburg zurück.
Das Europaparlament hat mit einer Schweigeminute der Opfer gedacht. In Gedanken sei man bei Deutschland, der deutschen Polizei und bei der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, sagte Parlamentspräsident David Sassoli.
Manfred Weber, CSU-Politiker und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, findet deutliche Worte: «Es hat einen Angriff auf jüdisches Leben auf deutschem Boden gegeben, das ist für jeden, vor allem für mich als Deutschen, ein Schock.»
Die Leipziger Polizei hat nach der Tat ihre Kräfte vor der Synagoge der benachbarten Stadt verschärft. Einer Reporterin zufolge stehen etwa fünf Polizisten vor dem Gebäude in der Innenstadt, davon sind mit Maschinenpistolen bewaffnet. Auch vor der Synagoge in Dresden wurde nach Angaben der Polizei der Polizeischutz erhöht.