Nach fast drei Stunden Mammutanhörung stellte die stellvertretende Vorsitzende Liz Cheney die für den Ausschuss zentrale Frage: «Kann eine Person wie Donald Trump je wieder mit einem öffentlichen Amt betraut werden?» Es war eine rhetorische Frage.
Um die vollen Auswirkungen der acht Anhörungen für Donald Trump abzuschätzen, ist es zu früh. Die Hearings führten und führen zu immer neuen Zeugenaussagen und Enthüllungen, weshalb der Ausschuss für den Herbst weitere Anhörungen ankündigte. Zuvor hatte der Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses minutiös aufgelistet, was Donald Trump während der 187 Minuten der Kapitols-Besetzung tat. Beziehungsweise nicht tat. Das Ziel des Ausschusses: aufzeigen, wie der damals immer noch amtierende Oberbefehlshaber seine Amtspflicht verletzte.
«Es braucht Rechenschaft»
Der Vorsitzende des Ausschusses, Bennie Thompson, hatte gleich zu Beginn klargestellt: «Es braucht Rechenschaft. Rechenschaft vor dem Gesetz.» Dabei ist und bleibt unklar, ob US-Justizminister Merrick Garland genügend Beweise vorliegen sieht, um einen Prozess gegen Donald Trump anzustrengen.
Ein Ziel hat der Ausschuss mit seinen Anhörungen auf jeden Fall erreicht: historisches Zeugnis ablegen. TV-Anhörung um TV-Anhörung rollte der Ausschuss aus, weshalb nach seinen Erkenntnissen die Proteste vom 6. Januar 2021 und die Handlungen des zu diesem Zeitpunkt abgewählten Noch-Präsidenten Donald Trump weder zufällig noch spontan gewesen waren. Der juristische Begriff «premeditated» – «vorsätzlich» – fiel immer öfter im Zuge der Sitzungen.
TV-Momente mit Wirkung
Der Untersuchungsausschuss sorgte auch für eine der geschichtsträchtigsten Fernsehstunden in der amerikanischen Geschichte. Das Bild, wie die Zeugin Cassidy Hutchinson im Zentrum dieses Saals sitzt, alleine, die Augen und die Kameras der amerikanischen Öffentlichkeit auf sie gerichtet, und wie sie mit bemerkenswerter Ruhe und mit sorgfältig gewählten Worten erzählt, was im innersten Kreis um den Präsidenten in jenen Tagen vor sich ging, wird sich in das Gedächtnis der USA einbrennen wie die Watergate-Anhörungen exakt 50 Jahre zuvor.
Das Bild, das Hutchinson von Trump zeichnete, brachte etwas ins Rutschen. Ein Präsident, der von seinen Sicherheitsleuten verlangte, dass sie die Metalldetektoren vor seiner Kundgebung abbauten, weil die Leute da draussen ihre Waffen nicht dabeihätten, um ihn anzugreifen. Ein Präsident, der von seinem Fahrer verlangte, ihn an jenem 6. Januar zum Kapitol zu fahren – und der ins Lenkrad greifen wollte, als sich die Sicherheitsleute widersetzten. Ein Präsident, der vor Wut schäumend seinen Burger an die Wand des Weissen Hauses schmiss (mit dem Höhepunkt der lapidaren Beschreibung von Hutchinson, wie sie mitgeholfen habe, das Ketchup wegzuwischen).
Schwer belastende Zeugenaussagen
Vieles in diesen Anhörungen war nicht neu. Doch diese Zeugenaussagen, unter Eid und öffentlich getätigt von Personen fast durchgängig aus dem innersten Kreis um Donald Trump, oder von ultrakonservativen Republikanerinnen, bilden eine Beweiskette, die es US-Justizminister Merrick Garland Schritt für Schritt schwieriger machen, nicht gegen den ehemaligen Präsidenten vorzugehen. Garland sagte am Mittwoch: «Keine Person steht über dem Gesetz.»