Präsident Donald Trump tritt heute seine erste grosse Auslandreise an. Die Route führt über Saudiarabien, Israel, Italien und den Vatikan zur Nato nach Brüssel. Ein Programm voller potentieller Fettnäpfchen.
Das sorgt offenbar auch im Weissen Haus für Unruhe. Glaubt man den neusten Leaks in US-Medien, schwankt die Stimmungslage zwischen Unwohlsein und Entsetzen. Constanze Stelzenmüller, Polit-Analystin an der Brooking Institution in Washington D.C., fasst die Bedenken innerhalb der Administration zusammen:
Trump reist erklärtermassen nicht gerne, verfügt in der internationalen Politik über kein eigenes Netzwerk, ihm fehlt das Grundlagenwissen über die heiklen Konflikte auf seiner Reiseroute.
Hinter sich lässt Trump ein von Intrigen und Skandalen erschüttertes Weisses Haus. Manche Kommentatoren sind der Ansicht, die Regierung sei praktisch handlungsunfähig: Das geflügelte Wort «Lame Duck» («lahme Ente») macht die Runde. «Wie soll das bloss enden?», titelt etwa die renommierte Polit-Zeitschrift «The Atlantic».
Chaostage in Washington
An einen Stillstand der Washingtoner Politik glaubt Stelzenmüller trotzdem nicht. Zwar habe die Reputation der Trump-Administration aufgrund der chaotischen Zustände und der Unprofessionalität stark gelitten. «Die Regierungsarbeit wird aber nicht nur von der Exekutive gemacht, sondern auch vom Kongress.»
Und dort sind die Republikaner mit der grössten Mehrheit seit 1928 vertreten. Deswegen seien sie auch erpicht darauf, die historische Chance zu nutzen: Am politischen Gestaltungswillen mangelt es also nicht in Washington, auch wenn die Trump-Administration sich derzeit von Skandal zu Skandal hangelt:
Die Republikaner werden sich nicht die Chance nehmen lassen, ihre Gesetzgebungsvorhaben durchzudrücken – trotz eines Präsidenten, der ihnen zunehmend unangenehm ist.
Die langjährige Analystin der US-Politik unterscheidet auch hier zwischen präsidialen Fettnäpfchen und politischem Tagesgeschäft: «Es hat mich immer fasziniert, mit welcher Präzision Politik in Washington ausgestaltet, kalibriert und dann umgesetzt wird.» Dies sei – unabhängig von Protagonisten und Parteibüchern – eine Konstante der US-Politik.
Nichtsdestotrotz: Chaos in der Führungsetage ist für eine stringente Politik wenig vorteilhaft. Einen Eindruck davon gab diese Woche der Schweizer Botschafter in Washington, Martin Dahinden: Er monierte in der «Aargauer Zeitung», das Tagesgeschäft sei manchmal schwierig, weil niemand da sei, der die offizielle Position des Weissen Hauses vertrete.
Erschöpfte und gespaltene Administration
Glaubt man Stelzenmüller, hat diese Orientierungslosigkeit gewissermassen System. Angetreten ist das «Team Trump» mit dem Ziel, das Washingtoner Establishment in seinen Grundfesten zu erschüttern: «Zumindest der Präsident und einige seiner ideologischen Berater hatten den expliziten Anspruch, «Disruptors» zu sein» – also den vermeintlich korrupten Polit-Betrieb zu «unterbrechen».
Dazu gehöre, wesentliche Stellen schlichtweg nicht zu besetzen – im Weissen Haus, im Aussen- und Verteidigungsministerium: «Dort sitzen nun teils untere Chargen, die ohne klare Anweisung von oben versuchen, den Betrieb am Laufen zu halten.»
Angesichts solcher Zustände stellt sich die Frage, wie attraktiv die Trump-Administration als Arbeitgeber ist: «Man hört zunehmend, dass die Mitarbeiter der Regierung über mangelnde Führung, Machtkämpfe und Erschöpfung klagen.»
Aussergewöhnliche Zustände also. Aussergewöhnlich sei jedoch auch, dass all dies überhaupt nach aussen dringe, schliesst Stelzenmüller: «Das spricht Bände über die Stimmung im Weissen Haus.»