Die Euphorie kennt keine Grenzen: Gambia feiert vergangenen Samstag die Vereidigung von Adama Barrow, ihres ersten, demokratisch gewählten Präsidenten. Das Stadion der Hauptstadt Banjul ist hoffnungslos überfüllt. Staatsgäste aus der ganzen Welt sind angereist – unter ihnen der chinesische Präsident Xi Jinping.
Handlanger des Schreckens in Schweizer Haft
Doch über Gambia liegt auch der Schmerz von 22 Jahren brutalster Repression unter Ex-Diktator Yahya Jammeh. Noch immer fehlt von hunderten Verschwundener jede Spur. Fast jede Familie war von willkürlichen Verhaftungen, Prügel und Folter betroffen. Wichtigster Handlanger von Diktator Jammeh war dessen Innenminister, Ousman Sonko. Ende 2016 setze sich dieser nach Europa ab – und stellte im November 2016 ein Asylgesuch in der Schweiz. Die «SRF Rundschau» hat den Fall Ende Januar publik gemacht.
Am Tag nach der Ausstrahlung wurde Ousman Sonko von den Schweizer Behörden aus dem Asylheim heraus verhaftet. Er sitzt nun in Untersuchungshaft im Kanton Bern. Die Bundesanwaltschaft hat ein Verfahren eröffnet. Gemäss Recherchen der «Rundschau» hat die Schweiz die gambischen Behörden allerdings noch nicht offiziell darüber informiert, dass Ousman Sonko in einem Schweizer Gefängnis sitzt. Der neue gambische Innenminister Mai Ahmed Fatty hat via Medien von Sonkos Verhaftung in der Schweiz erfahren. Nun will er möglichst bald Konsultationen mit der Schweiz aufnehmen: «Es geht darum, eine Formel auszuarbeiten, um Sonko möglichst bald bei uns in Gambia zu haben.»
Top-Jurist als Chief of Justice
Die neuen gambischen Behörden streben einen Versöhnungsprozess nach südafrikanischem Vorbild an. Im Exklusivinterview mit der «Rundschau» stellt Präsident Adama Barrow aber klar:
Wir müssen zuerst die Wahrheit kennen. Ohne Wahrheit keine Versöhnung.
Die Gambier hätten auf dem Weg der Demokratie unendlich gelitten. Der inhaftierte, mutmassliche Folterkommandant Sonko könnte dabei laut dem neuen Innenminister Fatty bei der Aufarbeitung eine Schlüsselrolle spielen: «Er war der Architekt dieses Hauses des Schreckens.»
Entscheidend für die Auslieferung von Ousman Sonko ist das Vertrauen der Schweizer Behörden in die gambische Justiz. Vergangene Woche hat Präsident Barrow den Top-Juristen Hassan Jallow zum Chief of Justice, zum obersten Richter Gambias ernannt. Jallow war Chefankläger am internationalen Ruanda-Tribunal und geniesst international hohes Ansehen. Schöne Worte reichten allerdings nicht, sagt Barrow: «Der ganze Prozess hat gezeigt, dass wir demokratischen Prinzipien verpflichtet sind. Wir werden tief greifenden Reformen anstrengen, damit die Gesetze eingehalten werden und die Unabhängigkeit der Justiz sichergestellt ist.»
Akt afrikanischer Emanzipation
Der demokratische Wandel in Gambia wird unterstützt von der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Sie half Präsident Barrow Anfang Jahr auch ins Amt. Denn der abgewählte Diktator Jammeh wollte den Präsidentenpalast nicht räumen. Erst der militärische Druck insbesondere des Nachbarlandes Senegal zwang ihn aufzugeben. Gambia habe sich nun dem Demokratisierungsprozess der anderen westafrikanischen Staaten angeschlossen, sagt Präsident Barrow: «Es gab Schwierigkeiten in diesem Prozess, aber wir fanden eine afrikanische Lösung.»
Das Vertrauen in die Stabilität der Region hat weiter zugenommen: So besuchte der chinesische Präsident Xi Jinping die Amtseinsetzung von Adama Barrow. Westliche Politiker haben an den Feierlichkeiten allerdings gefehlt. Barrow: «Alle, die sich für eine gute Staatsführung einsetzen, fordern wir auf, sich für den demokratischen Wechsel in Gambia einzusetzen.» Das neue Gambia positioniert sich als selbstbewusster Verhandlungspartner der Schweiz. Auch im Fall Sonko.