- Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat Israel einen «Holocaust an den Palästinensern» vorgeworfen.
- Die Reaktionen auf die Aussage bei seinem Besuch in Berlin reichen von «inakzeptabel» bis «unerträglich».
- Kanzler Olaf Scholz hat sich mit einer Stellungnahme Zeit gelassen, was Kritik der Opposition auslöste.
- Inzwischen hat Abbas mitteilen lassen, er habe die Einzigartigkeit des Holocaust nicht infrage stellen wollen.
Steffen Seibert, neuer deutscher Botschafter in Israel, hat den Vergleich von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas auf Twitter als «falsch und inakzeptabel» kritisiert. «Deutschland wird niemals einen Versuch dulden, die Einzigartigkeit der Verbrechen des Holocaust zu leugnen.»
Abbas hatte zuvor Israel den «vielfachen Holocaust an den Palästinensern» vorgeworfen. «Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen», sagte er am Dienstag bei einer Medienkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin.
Der 87-Jährige war von einem Journalisten gefragt worden, ob er sich zum 50. Jahrestag des von palästinensischen Terroristen verübten Attentats auf die israelische Olympiamannschaft in München bei Israel entschuldigen werde. Scholz’ Sprecher Steffen Hebestreit hatte die Pressekonferenz unmittelbar nach Abbas’ Aussage beendet.
Einen Tag nach der Aussage hat Hebestreit bedauert, dass die Pressekonferenz zu schnell beendet worden sei. «Da war ich nicht schnell genug, aufmerksam genug, um darauf zu reagieren», erläuterte der Sprecher. «Das war mein Fehler, und den muss ich auf meine Kappe nehmen.»
Späte Stellungnahme des Kanzlers
Der Kanzler selbst äusserte sich nicht sofort öffentlich dazu. CDU-Chef Friedrich Merz schrieb auf Twitter, Scholz hätte dem Palästinenserpräsidenten nach dessen Aussage «klar und deutlich widersprechen und ihn bitten müssen, das Haus zu verlassen».
In einem Interview mit der Zeitung «Bild» sagte Scholz am Abend, gerade für Deutsche sei jegliche Relativierung des Holocaust «unerträglich und inakzeptabel». Am Morgen nach der Pressekonferenz setzte auch er einen Tweet ab, in dem er Abbas’ Äusserung scharf verurteilt.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, sagte, mit der Relativierung der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik trete Abbas das Andenken an sechs Millionen ermordete Juden mit Füssen. Er kritisierte auch Scholz: «Dass eine Relativierung des Holocaust gerade in Deutschland bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt unwidersprochen bleibt, halte ich für skandalös.»
Deutliche Reaktionen aus Israel
Eine «moralische Schande» und eine «monströse Lüge» nannte Israels Regierungschef Yair Lapid die Aussage des Palästinenserpräsidenten. Auf Twitter schrieb er, die Geschichte werde Abbas niemals verzeihen.
Auch Dani Dayan, der Vorsitzende der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, bezeichnete die Aussagen als abscheulich und beängstigend und forderte eine Reaktion der deutschen Regierung.
Israels designierter Botschafter in Berlin forderte, solche Aussagen in Deutschland nicht hinzunehmen. «Schande!», schrieb Ron Prosor. «Für die Holocaust-Leugnung von Abbas auf deutschem Boden muss es 0 Toleranz geben.»
Holocaust-relativierende Doktorarbeit
Er schrieb weiter: «Selbst wenn man seinen Doktortitel mit Holocaust-Leugnung erworben hat, sollte man verstehen, dass Versöhnung zwischen Menschen nicht auf Lügen und Verfälschungen beruhen kann.» Abbas hatte in seiner in den 1980er-Jahren vorgelegten Doktorarbeit den Holocaust relativiert und der zionistischen Bewegung vorgeworfen, sie habe mit dem Hitler-Regime kollaboriert. Erst 2014 bezeichnete Abbas erstmals die Judenvernichtung während des Holocausts als das «schlimmste Verbrechen der Neuzeit».